KUHLE-Interview mit der „Frankfurter Rundschau“

FRANKFURT. Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, gab der „Frankfurter Rundschau“ anlässlich des FDP-Dreikönigstreffens in Stuttgart das folgende Interview. Die Fragen stellte Elena Müller:

 

Herr Kuhle, was haben sich die FDP und die Jungen Liberalen fürs neue Jahr vorgenommen?
KUHLE: Wir sind zunächst einmal gespannt darauf, was heute und morgen beim Dreikönigstreffen passiert. Die FDP hat auf über 200 Veranstaltungen im vergangenen Jahr diskutiert, wie sie sich selbst sieht. Dabei ist vor allem rausgekommen, dass wir ein neues Selbstbewusstsein brauchen und dass es nichts bringt, wenn man nur mit hängenden Mundwinkeln durch die Gegend läuft. Wir Jungen Liberalen müssen den Prozess, den die FDP in den kommenden zwei Jahren bis zur nächsten Bundestagswahl durchläuft, prägen und natürlich auch inhaltlich dafür sorgen, dass die Interessen der jungen Generation nicht aus dem Blick geraten.

Welche Interessen sind das?
KUHLE: Ich denke, man kann das auf drei Themen herunterbrechen. Das ist zum einen der Bereich Digitales und Bürgerrechte, da passiert ja im Moment eine ganze Menge im Bezug auf die Überwachung durch Geheimdienste. Es ist aber nicht so, dass man sich nur auf die Ängste und Probleme beschränken sollte. Wenn wir in Deutschland überhaupt noch eine Gründerszene haben, dann ist das vermutlich der Bereich der Unternehmensgründung im Digitalen, da müssen wir investieren. Zum Zweiten ist uns das Thema Bildung wichtig, die FDP hat sich in der Vergangenheit zu sehr darauf beschränkt, Wirtschaftspartei zu sein und nicht zu sagen, welche Chancen sie den Menschen konkret ermöglichen will. Das dritte Thema ist die Generationengerechtigkeit im Haushalt. Es sieht jetzt zwar so aus, als hätten wir eine schwarze Null, ich persönlich glaube das aber erst, wenn ich sie sehe. Ich glaube, dass die große Koalition dem Anspruch nicht gerecht wird, etwas für die Jungen zu tun.

Ihre Partei hat also das Potenzial aufzufangen, was die Regierung nicht leistet?
KUHLE: Das glaube ich absolut. Wir sehen gerade, dass die große Koalition im Bereich des Solidarzuschlags und der Maut etwas verspricht und zehn Jahre später das Gegenteil macht. Der Solidarzuschlag hätte eigentlich auslaufen müssen, und bei der Maut wird gerade so ein kompliziertes System geschaffen, dass wir uns nicht wundern müssen, dass sich Jugendliche nicht mehr für Politik interessieren. Wenn es gar nicht mehr möglich ist, generationenübergreifend Finanzpolitik zu machen, dann wenden sich Menschen von der Politik ab. In diese Lücke kann die FDP stoßen.

Welche Wähler will die FDP denn ansprechen?
KUHLE: Es gibt zwei Gruppen, um die man sich kümmern muss. Zum einen gibt es eine riesige Gruppe enttäuschter Wähler von CDU und CSU, die erleben, wie die SPD ganz allein die Regierungspolitik der großen Koalition diktiert, ob das die Rente mit 63 ist, die Mietpreisbremse oder der Mindestlohn. Angela Merkel ist im Prinzip eine sozialdemokratische Kanzlerin. Jeder, der damit nicht einverstanden ist und ein marktwirtschaftliches Korrektiv will, wird früher oder später vor der Frage stehen, die FDP zu unterstützen oder nicht. Wir müssen uns den Respekt dieser Gruppe wieder erarbeiten, den wir in den vergangenen Jahren verloren haben. Darüber hinaus gibt es eine große Gruppe, die Selbstbestimmung und individuelle Chancen weiter sehen als das Thema Wirtschaft. Ich glaube, da können wir sehr viel stärker werden und da sind wir nicht auf die Wähler der Union beschränkt, da gibt es auch viele Nichtwähler, die wir zurück an die Urne holen können.

Wurde in den vergangenen Jahren der Fokus falsch gesetzt?
KUHLE: Ich glaube, Themen wie Menschenrechte und bürgerliche Selbstbestimmung wurden in der Kommunikation vernachlässigt. Das ist schade, weil die FDP die Vorratsdatenspeicherung blockiert hat, sie hat die Netzsperren abgeschafft und dabei geholfen, die Wehrpflicht auszusetzen. Bei nicht wirtschaftspolitischen Themen wurden mehr Erfolge erzielt als bei wirtschaftspolitischen Themen. Wenn man das deutlicher kommuniziert hätte, wäre die Wahl vermutlich anders gelaufen. Aber das ist vergossene Milch – über die Vergangenheit zu sprechen, reißt heute keinen mehr vom Hocker. Ich wünsche mir vielmehr von meiner Partei, dass sie sich zum Anwalt von jungen Menschen macht, die heute so vielen Anforderungen gerecht werden müssen.

Das umstrittene Wahlplakat der Hamburger FDP mit Katja Suding („Unser Mann für Hamburg“) hat eine große Diskussion zum Thema KUHLE: Gleichberechtigung hervorgerufen. Wie positionieren sich die Julis dazu?
Ich wage zu bezweifeln, dass wir Gleichberechtigung und Zugang zu Führungspositionen dadurch erreichen, dass wir eine Quote einführen, mir greift das zu kurz. Liberale haben es sich beim Thema Gleichberechtigung in der Vergangenheit zu einfach gemacht. Ein einfaches „Nein“ zur Quote kann nicht die ganze Antwort sein. Der Grund, warum wir gegen solche Zwangsmaßnahmen sind, ist, dass wir glauben, dass Gleichberechtigung dann nachhaltiger ist, wenn sie aus der Gesellschaft selber kommt. Ich finde, dass es mehr Vorbilder in der Wirtschaft und der Politik geben muss und bessere Netzwerke zur Förderung von Frauen in Führungspositionen geschaffen werden sollten. Da würde ich mir manchmal ein bisschen mehr Konstruktivität von der eigenen Partei wünschen.

Mit Christian Lindner hat die Partei eine starke Person an der Spitze, aber eine, die ziemlich allein steht. Ist das gut so oder sollte sich die Spitze breiter aufstellen?
KUHLE: Es ist von Vorteil, dass wir mit Christian Lindner jemanden haben, der bekannt ist, denn mit ihm werden wir noch gesehen. Aber wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass es nachteilig sein kann, wenn sich eine Partei zu sehr auf eine Persönlichkeit verengt, wie das bei Guido Westerwelle der Fall war. Deshalb sollte eine personelle Verbreiterung dazugehören – ich will aber auch ganz deutlich sagen, dass wir mit Wolfgang Kubicki und Nicola Beer zwei Leute an der Spitze haben, die deutlich sichtbar sind und die wichtige Themen abdecken, Kubicki bei Bürgerrechten und Rechtsstaat und Nicola Beer mit der Bildungspolitik. Das gefällt mir momentan eigentlich ganz gut.