KUHLE-Interview für die Rhein-Zeitung

KOBLENZ. Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, gab der Rhein-Zeitung für die Ausgabe vom 25. August 2014 das folgende Interview. Die Fragen stellte Ursula Samary:

 

„Keine Sau braucht die FDP.“ Hat Sie der Slogan auf Plakaten der brandenburgischen FDP erschreckt?
KUHLE: Im ersten Moment war ich ein bisschen schockiert. Aber es war ja auch das Ziel aufzurütteln. Eine Woche später gab es eine Pressekonferenz, für die die Stühle nicht reichten. Das hat die brandenburgische FDP seit Jahren nicht erlebt. Da konnte sie ganz konkret landespolitische Ziele erklären. Beispielsweise bildungspolitische Chancen auf dem Land, für die sich die FDP starkmacht, oder die Kritik am exorbitanten Versagen beim Flughafenprojekt von Berlin und Brandenburg. Das Plakat hatte inhaltlich also seine positive Wirkung.

Aber es erinnerte auch an die Häme, die der FDP im Bundestagswahlkampf entgegenschlug. Hat sie die schockiert? War sie die Quittung für den Intrigantenstadl in Berlin?
KUHLE: Der Umgang der Liberalen miteinander wirkte in der Tat härter als in anderen Parteien. Guido Westerwelle, über Jahre hochgelobt, wurde vom Hof gejagt, weil er als zu laut und schrill galt. Sein leiserer Nachfolger Philipp Rösler war aber auch schnell passé. Es darf nicht wieder passieren, dass jemandem in der FDP die eignen Leute in den Rücken fallen. Wenn wir uns gegenseitig nicht vertrauen, vertrauen uns auch die Wähler nicht. Aber auch die Tonlage gegenüber dem politischen Gegner war falsch: Ich bin sehr dafür, sich inhaltlich von den Grünen abzugrenzen – in Energie- wie in Steuerfragen. Aber wir haben auf den Veggie Day eingedroschen. Das ist doch kein Thema, das die Menschen groß bewegt. Am Ende hatten die Grünen ein schlechtes Wahlergebnis. Aber unseres war noch schlechter. Ich hätte lieber über Rente und Generationengerechtigkeit diskutiert. Aber da war Fehlanzeige – in einem auch rhetorisch verflachten Wahlkampf. Da musste man sich über gewisse Häme nicht wundern.

War der Spitzenkandidat Rainer Brüderle aus Juli-Sicht der falsche?
KUHLE: Nein. Er galt als der Mann, der die Stammwähler noch abholen kann. Am Ende war wohl die erniedrigende Zweitstimmenkampagne „Wer Merkel will, muss FDP wählen“ das Aus. Sie ist für die FDP auch die Lehre, wieder offen zu sein für andere Koalitionspartner als die Union. In Rheinland-Pfalz hat Rainer Brüderle mit Kurt Beck ja auch erfolgreich sozialliberal regiert. Unser Ziel muss es sein, mit anderen politischen Kräften zumindest wieder verhandeln zu können. Auch von gesellschaftlichen Gruppen, etwa Gewerkschaften, müssen wir wieder ernst genommen werden. Der Lernprozess läuft.

Dafür braucht die FDP aber vor allem bessere Wahlergebnisse.
KUHLE: Daher kämpfen wir ja auch kräftig vor der Wahl in Sachsen. Der Zusammenhalt ist schon noch groß. Wir Julis fahren mit fünf Kleinbussen aus ganz Deutschland nach Sachsen. Nach einem Internetangebot waren die Busse sofort voll.

Die Basis der Julis ist also hoch motiviert und nicht völlig deprimiert?
KUHLE: Absolut. Als wir am Morgen nach der Bundestagswahl unsere Computer hochgefahren haben, hatten wir über Nacht eine dreistellige Zahl von Neueintritten. Die jungen Leute kamen alle mit dem Gefühl „Jetzt erst recht!“. Nun erhoffen sie sich alle einen großen Motivationsschub in Sachsen – auch für die Wahlen in Thüringen und Brandenburg. Denn die Große Koalition zeigt doch: CDU und SPD sind inzwischen wie Zwillinge, kaum noch zu unterscheiden. Eigentlich könnten die fusionieren. Da könnte man sehen: Es gibt eine große Volkspartei, die gegen Generationengerechtigkeit und gegen wirtschaftliche Vernunft ist. Und es gibt die FDP, die den Finger in diese Wunde legt.

Für wie gefährlich halten Sie denn die AfD?
KUHLE: Wir müssen uns ernsthaft mit den Argumenten auseinandersetzen. Aber wir verlieren deutlich mehr Wähler an CDU und SPD als an die AfD. Wenn die jetzt mit ausländerfeindlichen Parolen durch Sachsen zieht, wo kaum Ausländer leben, zeigt dies doch: Die Partei ist kein Konkurrent für ein liberales Weltbild.

Sitzt FDP-Chef Christian Lindner nach verlorenen Wahlen im Osten auch auf einem Schleudersitz?
KUHLE: Nein. Christian Lindner und Wolfgang Kubicki werden im Amt bleiben und mit Generalsekretärin Nicola Beer einen neuen Leitbildprozess in der Partei steuern. Wir brauchen wieder mehr respektvolle Streitkultur in der Sache, aber keine neuen Personalquerelen.

Wie wollen Sie junge Leute überzeugen, sich einzumischen?
KUHLE: Es ist unglaublich spannend bei uns. Wir können mit jungen Leuten ohne parlamentarische Zwänge über Themen diskutieren, die andere Parteien ausblenden. Die Rentenpolitik der Großen Koalition ist doch ein Angriff auf die Generationengerechtigkeit.

Wie kann die FDP die Menschen wieder erreichen?
KUHLE: Wir haben die große Chance aus der Abschreckungsfalle herauszukommen, wenn wir nicht besserwisserisch daherkommen, sondern mit positiven Konzepten.

Was hält der FDP-Nachwuchs davon, dass Rainer Brüderle im Landtagswahlkampf 2016 wieder einsteigen will?
KUHLE: Er ist eine Kämpfernatur und kann mit den Leuten. Im Wahlkampf kann das nicht schaden.