KUHLE-Gastbeitrag zur Methode Solimaut für „Handelsblatt Online“

Anlässlich der anhaltenden Debatte um die Beibehaltung des Soldiaritätszuschlags über das Jahr 2019 hinaus und vor dem Hintergrund der Diskussion um mögliche Mehrbelastungen für deutsche Autofahrer durch die sogenannte Ausländermaut schrieb der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, gestern den folgenden Gastbeitrag für „Handelsblatt Online“ (http://www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/apo/ausserparlamentarische-opposition-die-methode-solimaut/11089026.html):

 

Die Methode Solimaut

Bei der Einführung des Solidaritätszuschlags im Jahr 1991 versprach der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, der Soli werde maximal zwölf Monate Bestand haben. Kurze Zeit später hieß es, die Zusatzabgabe würde länger benötigt, sei aber spätestens im Jahr 2000 Geschichte. Heute gibt es den Soli noch immer – angeblich nur noch bis zum Jahr 2019. Das zumindest war den Bundesbürgern zuletzt versprochen worden. Doch statt über die angekündigte Abschaffung zu diskutieren, überbieten sich Politiker in Bund und Ländern derzeit darin, Gründe für eine dauerhafte Beibehaltung des Solidaritätszuschlags zu formulieren. Engagiert diskutieren sie außerdem darüber, wie künftige Soli-Einnahmen zwischen den verschiedenen Ebenen aufgeteilt werden sollen. Davon, dass die Abgabe ursprünglich nur zur Finanzierung der Zusatzkosten der deutschen Einheit gedacht war, wollen heute weder schwarze noch rote Landesfürsten etwas wissen. Einzig die außerparlamentarische FDP weist darauf hin, dass die Abgabe befristet gedacht war.

Parallel zur Soli-Diskussion arbeiten die CSU und Verkehrsminister Alexander Dobrindt an der Durchsetzung ihres wichtigsten Projektes, der hoch umstrittenen Ausländermaut. Weil die Maut jedoch selbst bei den Koalitionsparteien CDU und SPD nur wenige Freunde hat und weil das Europarecht eine Schlechterstellung von EU-Bürgern verbietet, haben sich die Beamten in Dobrindts Ministerium eine komplizierte Konstruktion überlegt: Alle Autofahrer müssen die Maut zunächst bezahlen – egal, ob Deutscher oder nicht. Die Entlastung für deutsche Autofahrer erfolgt nachträglich über eine Senkung der Kfz-Steuer. Am Ende soll so kein Autofahrer mehr bezahlen, es sei denn, er kommt nicht aus Deutschland.

Doch die Idee hat einen fundamentalen Konstruktionsfehler. So mächtig Schwarz-Rot im Deutschen Bundestag derzeit auch sein mag, einer künftigen Regierung oder einem künftigen Parlament kann nicht einmal die Große Koalition vorschreiben, die Kfz-Steuer nicht doch irgendwann wieder zu erhöhen. Und so wird eines Tages mit der Maut das gleich passieren, wie mit dem Solidarzuschlag. Entgegen allen Beteuerungen und Versprechen wird es zu einer Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger kommen. Wolfgang Schäuble und die Verantwortlichen in seinem Ressort wissen dies genau und haben es vorsorglich gleich in die Begründung zum Maut-Entwurf hinein geschrieben. Es soll bloß niemand auf die Idee kommen, das Maut-Versprechen gelte länger als ein paar Jahre.

Wer als junger Mensch heute zum ersten Mal Steuern und Sozialabgaben bezahlt, der kann sich an das historische Versprechen zur Abschaffung des Soli ohnehin nicht mehr erinnern. Und mit der Zeit wird auch das Versprechen einer Maut, die nichts kostet, vergessen sein. Neben dem kollektiven Vergessen hat die Methode Solimaut einen weiteren politischen Vorteil: Sie ist zutiefst demokratisch.

Denn gewählte Abgeordnete müssen immer wieder neu darüber entscheiden können, wie hoch oder wie niedrig Steuern und Abgaben sind. Ob über mehrere Legislaturperioden ein sinnvolles Gesamtkonzept verfolgt wird, entscheiden dadurch letztlich nicht einzelne Regierungspolitiker, sondern die Wählerinnen und Wähler am Wahltag. Man denke nur an das Hin und Her beim Ausstieg aus der Kernenergie. Widersprüche und Kehrtwenden gehören eben zur Demokratie.

Aus Sicht der jungen Generation mag das Vorgehen der Bundesregierung deshalb zwar demokratisch sein. Trotzdem ist es ein Beispiel für schlechte politische Kultur und Respektlosigkeit gegenüber den Wählern. Denn die Methode Solimaut wirft eine grundsätzliche Frage auf: Welche generationenübergreifenden Projekte kann eine Gesellschaft in einer Demokratie überhaupt stemmen?

Auch bei der Staatsverschuldung ist die junge Generation schließlich leere Versprechen gewöhnt. Unabhängig von jeder politischen Couleur haben Politiker über Jahre hinweg so viele Schulden angehäuft, dass schließlich eine gemeinsame Notbremse namens Schuldenbremse eingeführt werden musste. Weil Politiker ihrer eigenen Haushaltsdisziplin nicht trauen, mussten sie sich selbst ihre Handlungsoptionen beschneiden. Wenn Regierungshandeln darin besteht, zweifelhafte Projekte wie die Ausländermaut so notdürftig zusammen zu zimmern, dass sie eine Legislaturperiode später wieder auseinander fliegen, leidet darunter das Vertrauen in das politische System. Politische Führung muss mehr sein als ein zerknirschtes „So haben wir das eigentlich nicht gemeint“.

In einem System, dessen Politiker den gemeinsamen Wortbruch bei Soli und Maut über Jahre hinweg vorbereiten, bleibt für eine Entlastung der Bürger nur noch ein einziges Instrument: Die Politik muss ihren eigenen Handlungsspielraum begrenzen. So wurde demokratisch für die Schuldenbremse entschieden und so könnte eines Tages für die Belastung der Bürger entschieden werden. Ein konkreter Vorschlag ist der so genannte Halbteilungsgrundsatz. Mit diesem Prinzip würde in der Verfassung eine Grundregel festgeschrieben, von der keine Regierung und kein Parlament abweichen darf: Addiert man alle Steuern und Abgaben, so muss dem Bürger stets mindestens die Hälfte des verdienten Geldes verbleiben.

Das Spielfeld der Politik würde damit kleiner. Das ist ein Gewinn für die Generationengerechtigkeit. Auf der anderen Seite leiden darunter die demokratische Kultur und das freie Mandat der Abgeordneten. Es ist ein Armutszeugnis, dass es anders nicht möglich ist, die Verfechter von Soli und Maut an ihren Versprechen festzuhalten.