KUHLE-Gastbeitrag zum FDP-Leitbildprozess für “Handelsblatt Online”

An diesem Wochenende startet die FDP offiziell in die Diskussion um ihr künftiges Leitbild. Anlässlich der Auftaktveranstaltung des sogenannten Leitbildprozesses schrieb der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, heute folgenden Gastbeitrag für „Handelsblatt Online“ (http://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastbeitrag-die-fdp-ist-die-spannendste-partei-deutschlands-seite-all/10760740-all.html):

 

„Die FDP ist die spannendste Partei Deutschlands“

Die FDP bekommt derzeit wenig Jubel. Deshalb müsse die Partei Kante zeigen, fordert Julis-Chef Konstantin Kuhle. Nötig seien neue, kreative Konzepte und klare Aussagen, wofür die FDP steht – nicht nur wogegen.

„Die FDP muss endlich wieder klare Kante zeigen.“ – Diese Formulierung ist ein sicherer Garant für tosenden Applaus bei der nächsten Diskussion über die Neuaufstellung der FDP. Da den Liberalen momentan wenig zugejubelt wird, stellt diese Methode eine abwechslungsreiche Alternative zum tristen Alltag in der außerparlamentarischen Opposition dar. Manche warnen davor, dass die FDP sich aktuell zu einer sozialdemokratischen Partei entwickele und verlangen stattdessen einen „klaren Kurs“. Die FDP müsse Stellung gegen den sozialdemokratischen Mainstream aus Großer Koalition und links-grüner Opposition beziehen.

Das tut sie: Ob gegen das Rentenpaket, gegen den Einheits-Mindestlohn, gegen die Frauenquote, gegen die Ausländer-Maut oder gegen die Mietpreisbremse: Die FDP bezieht – mal laut genug und manchmal auch zu leise – eine Gegenposition aus Wettbewerb und Eigenverantwortung. Die inhaltliche Position der Partei zu allen genannten Projekten hat sich seit der Bundestagswahl um kein Jota nach links verschoben. Trotzdem verharrt die Partei in der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl bei drei bis vier Prozent. Viele Wähler trauen den Liberalen nämlich trotz „klarer Kante“ die Übernahme von Verantwortung nicht zu. Das liegt daran, dass die FDP in der schwarz-gelben Bundesregierung vier Jahre lang ein unprofessionelles Bild abgegeben hat. Künftig professioneller aufzutreten und gekonnter zu kommunizieren ist das Ziel des so genannten Leitbildprozesses, in den die Liberalen an diesem Wochenende einsteigen werden.

Nun steht der Leitbildprozess als angebliche Sozialdemokratisierung der FDP in der Kritik. Dabei erschließt es sich allerdings nicht, was sozialdemokratisch daran sein soll, auch als Liberale endlich einmal strukturiert über Themen und Kommunikation der eigenen Partei nachzudenken. Die FDP schreibt sich auf die Fahnen, dass sich die beste Idee im Wettbewerb herausbilden soll. Daher ist es richtig, auch erfolgreiche Parteien aus dem europäischen Ausland in den Blick zu nehmen und zu versuchen, von ihnen methodisch zu lernen. Was hat es eigentlich mit „klarer Kante“, Selbstbewusstsein und Haltung zu tun, für alle Ewigkeit am Rockzipfel von CDU und CSU zu hängen? Auch die Anbiederung an die Union in der letzten Wahlkampfwoche hat der FDP bei der Bundestagswahl den Kopf gekostet. Bei den Sozialdemokraten ist zumindest erkennbar, für welche inhaltlichen Projekte sie stehen. Die Union dagegen nickt als Merkel-Fanclub, gespickt mit etwas Maut-Theater, jeden ordnungspolitischen Sündenfall ab.

Die FDP ist aktuell die spannendste Partei Deutschlands. Wenn es ihr gelingt, in einem großen Gespräch aller Liberalen Freiheitsprojekte für mehr Menschen zu entwerfen, kann der Wiedereinzug der Liberalen in den Deutschen Bundestag 2017 gelingen. Dazu bedarf es aber eines gemeinsamen Ziels, das über die Ablehnung des „sozialdemokratischen Mainstreams“ hinausgeht. Wofür steht die FDP? Nicht nur wogegen. Gefragt sind neue und kreative Lösungen, die den Traum jedes Menschen respektieren, ihm aber dabei ein Mehr an Entfaltungschancen einräumen. So kann im Modell der Flexirente jeder Arbeitnehmer selbst entscheiden, wann er zwischen 60 und 70 in Rente geht. In einem liberalen Modell ohne Kammerzwang können beispielsweise neue Selbstständige schneller und unbürokratischer Jobs schaffen als heute. Der nun anlaufende Leitbildprozess der FDP muss das Freiheitslabor aller Liberalen für solche Modelle sein.

Wer für „klare Kante“ eintritt, bemüht gern das Ideal, die FDP müsse zu einer „klassisch liberalen Partei“ werden. Das Praktische an diesem Begriff ist, dass darunter jeder verstehen kann, was er gerne möchte. Manche sehen darin eine Absage an jeden Bindestrich-Liberalismus, ein umfassendes Angebot für wirtschaftliche und individuelle Entfaltung. Andere wünschen sich unter dem Label „klassisch liberal“ eine FDP, die sich durch eine radikalen Ablehnung des Staates und eine obsessive Leugnung jeder Notwendigkeit zu Regulierung auszeichnet. Unabhängig zu welcher Gruppe man gehört – man sollte sich in keinem Fall der Illusion hingeben, die FDP müsse nur wieder so werden wie in der „guten, alten Zeit.“ Die Steuer- und Abgabenlast der späten Kohl-Jahre hatten mit keiner Form von klassischem Liberalismus etwas zu tun. Auch der gesellschaftspolitische Reformstau am Ende der Neunzigerjahre – man denke nur an die Themen Zuwanderung und Gleichstellung von Homosexuellen – war kein Ruhmesblatt für die damalige FDP.

Es rumort unter Liberalen nicht, weil man manchmal unterschiedlicher Meinung ist. Vielen Liberalen geht die Neuaufstellung der FDP einfach nicht schnell genug. Manche sind nach der Bundestagswahl mit den Worten „Jetzt erst recht!“ in die Partei eingetreten und wurden nach der Europawahl und den drei verlorenen Landtagswahlen in Ostdeutschland ihrer Motivation beraubt. Sie wünschen sich mehr Tempo und mehr Information durch die Führung der Partei. Der Prozess zur Neuaufstellung der FDP hat gerade erst begonnen. Die Achse der FDP wird sich dabei nicht nach links verschieden – sie darf sich aber auch nicht in eine Richtung verschieben, bei der abgehobene Theorien oder plumpes Poltern wichtiger sind, als die konkreten Probleme der Menschen. „Klare Kante“ und ein neues Leitbild schließen sich nicht aus. Es wird jedoch in Zukunft nicht mehr reichen, wenn Liberale nur die größte Klappe haben – es muss auch etwas dahinter stecken.