20.02.2022

Liberaler Feminismus, to be continued

Freiheit lässt sich in drei Dimensionen denken. Freiheit als Abwesenheit des eingreifenden Staates mit rechtlichen Beschränkungen. Freiheit als Abwesenheit gesellschaftlicher Barrieren. Freiheit als die psychologische Befähigung des Individuums, soziale Barrieren zu überkommen.

Als liberale Jugendorganisation ist es für uns selbstverständlich, ‚Freiheit‘ vollumfänglich, also in allen diesen drei Dimensionen, zu begreifen. Ohne einen liberalen Feminismus erfüllen wir diesen Anspruch nicht. Als Junge Liberale haben wir dies erkannt. Nachdem die Jungen Liberalen Niedersachsen bereits das “Grundlagenprogramm zum Liberalen Feminismus” verabschiedet haben, haben die Jungen Liberalen sich in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2021 klar zum Liberalen Feminismus bekannt und haben dieses Bekenntnis auch erfolgreich im Wahlprogramm der FDP festgeschrieben. Erst vor wenigen Monaten wurde zudem der Bundesarbeitskreis “Liberaler Feminismus” gegründet, der in den nächsten Monaten in die tiefe, programmatische Arbeit einsteigen und unsere programmatischen Debatten sicherlich bereichern wird.

In den letzten Monaten haben wir die Notwendigkeit erkannt, unsere Beschlusslage in diesem Bereich zu erweitern und schon jetzt ein Stück weit zu verbessern. Der Bundeskongress der Jungen Liberalen fordert deshalb die folgenden Punkte:

Sexismus im Internet

Aus liberaler Perspektive ist es wichtig, das Internet als Raum der freien Meinungsäußerung und Informationsbeschaffung zu erhalten und gleichzeitig einen respektvollen, das Persönlichkeitsrecht wahrenden Umgang miteinander zu gewährleisten. Die Zunahme sexistischer Beleidigungen im Internet zeigen Handlungsbedarf auf. Dem kann unter anderem entgegengewirkt werden mit:

  • einem Eilrechtsschutz zur Schließung der Accounts anstelle des NetzDG,
  • der Aufnahme der „sexistischen Motivlage“ in die Statistik des BKA zur Hasskriminalität,
  • der Erweiterung des Adhäsionsverfahrens um Unterlassungsansprüche bei Persönlichkeitsverletzungen und
  • der Erweiterung des Opferentschädigungsgesetzes auf psychische Angriffe mit gesundheitlichen Folgen.

Elternschaft in Parlamenten

Die Entscheidung für eine Abgeordnetentätigkeit darf nicht von der Vereinbarkeit von Mandat und Familie abhängig sein und die mangelnde Vereinbarkeit soll nicht weiterhin insbesondere Frauen davon abhalten, sich für eine Kandidatur für ein Parlament zu entscheiden. Daher sind die Kindertagesstätten in Landtagen und im Bundestag bereits für Kinder ab sechs Monaten vorzusehen. In den parlamentarischen Gebäuden sind ausreichend Wickelplätze auf den Toiletten für alle Geschlechter zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sollen Abgeordnete Anspruch auf eine elternzeitähnliche Auszeit für die Dauer von bis zu sechs Monaten haben. Während einer solchen Kinderpause soll das Fehlen des oder der Abgeordneten durch alternative Abstimmungsregelungen in den Geschäftsordnungen der Parlamente abgesichert werden. Es soll jedoch auch möglich sein mit einem Neugeborenen die parlamentarische Arbeit fortzuführen, wenn das der Wunsch der oder des Abgeordneten ist. Aus diesem Grund sollen Säuglinge im Plenarsaal willkommen sein, da in diesen ersten Lebensmonaten stetiger Körperkontakt zu sehr wichtig ist.

Vaterschaftsurlaub

Im Rahmen des Mutterschutzes dürften Arbeitgeber Frauen sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt nicht beschäftigen. Für Väter soll die freiwillige Option bestehen, die Mutterschutzzeit vollständig oder teilweise zu begleiten. Wird diese „Familienzeit“ beantragt, gelten §§ 17 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2; 18 MuSchG entsprechend. Diese Option muss auch für nicht-schwangere Partnerinnen in homosexuellen Lebensgemeinschaften oder gleichgeschlechtlichen Ehen bestehen. Ebenso soll dies auch für Männer gelten, die nicht der biologische Vater sind, die Vaterschaft nach der Geburt aber anerkennen oder eine Adoption beantragen.

Frauen in MINT-Fächern

Der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften ist durch den schnellen, technologischen Fortschritt höher, als es Absolventinnen und Absolventen gibt. Deshalb ist es notwendig durch Weiterbildungsmaßnahmen einen Quereinstieg in diesem Bereich einfacher zu ermöglichen. Das bietet die Chance, Frauen verstärkt für die Branche anzuwerben und in solche Maßnahmen einzubinden. Dabei hilft eine öffentlichkeitswirksame Anwerbung von Auszubildenden durch Unternehmen, über (digitale) Jobmessen oder Internetseiten.

Freies Namensrecht

Das deutsche Namensrecht ist restriktiv und stellt nicht die Bedeutung des Namens für die persönliche Identität in den Vordergrund. Wir fordern für die anstehende Reform des Namensrechts eine umfassende Liberalisierung. Diese umfasst Namenswahlfreiheit für Verheiratete, wie gemeinsame Doppelnamen, in Fällen der Adoption und bei anderen familienrechtlichen Statuswechseln. Aber es soll auch eine allgemeine Freiheit bestehen, Vor- und Zunamen zu ändern, soweit öffentliche Interessen – insbesondere zwangsvollstreckungsrechtliche – dem nicht entgegenstehen. Die allgemeine Namenswahlfreiheit kann entsprechen dem Eckpunkteplan von 2020 an Sperrfristen für wiederholte Wechsel geknüpft werden. Am Verbot von Namensketten über Doppelnamen hinaus halten wir fest.

Crash is Trash

Crash-Test Dummies sind in aller Regel 1,75 m groß und wiegen 78 kg. Der Körperbau des Dummies orientiert sich am männlichen Körper. Durchschnittliche weibliche Körper, aber auch andere Gruppen wie Kinder, ältere Menschen oder große Männer, sind in Sicherheitstests zur Zulassung neuer Kfz-Typenmodelle daher unterrepräsentiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau bei einem Autounfall ernstlich verletzt wird, ist 47% höher, dass sie stirbt 17% höher als bei einem Mann. Ursache sind zwar nicht nur, aber jedenfalls auch, mangelnde Sicherheitstests vor der Zulassung neuer Kfz-Typenmodelle.

Die Verpflichtung die Sicherheit des neuen Typenmodells sicherzustellen, liegt bereits jetzt in erster Linie bei den Automobilunternehmen. Durch die hohen Kosten für die Testung an verschiedenen Dummie-Modellen wird eine zusätzliche virtuelle Testung durch eigene Programme oder durch das seit 2021 von Toyota frei zur Verfügung gestellte Programm „Total Human Model for Safety“ vorgeschlagen. Um hierbei einheitliche Standards sicherzustellen, soll das mathematische Verfahren für die Programme durch eine VDI-Richtlinie vorgegeben werden.

Der zweite Schritt der Testung wird derzeit durch Richtlinien der UNECE gesteuert. Diese sollen um virtuelle Testungen ergänzt werden. Selbiges gilt bei den zusätzlichen Sterne-Tests der Euro NCAP-Standards. Da diese Bewertungen in den Verkaufsbroschüren der Autos auftauchen und die Hersteller diese Testung freiwillig absolvieren, soll hier ein zusätzliches „Prüfsiegel für virtuelle Sicherheit“ eingeführt werden, wenn Käuferinnen und Käufer durch eine hinreichende virtuelle Testung jeweils realitätsnah repräsentiert worden sind.

Ärztliche Entscheidungsfreiheit

Ärzte und Ärztinnen sollen frei entscheiden können, ob sie eine Abtreibung vornehmen wollen oder nicht. Das muss auch für Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft 101 gelten, sodass die Reichweite des kirchlichen Arbeitsrechts diesbezüglich einzugrenzen ist. Die Entscheidungsfreiheit darf insbesondere nicht durch die Androhung einer Kündigung bei Vornahme einer Abtreibung eingeschränkt werden.

Als Junge Liberale sehen wir des Weiteren signifikanten Nachholbedarf bei der Anzahl an Fachärzten, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Insbesondere in konservativen Bundesländern nimmt die Zahl der Ärztinnen und Ärzte immer weiter ab, die Wartezeiten für Patientinnen hingegen zu. Der Versorgungsauftrag hinsichtlich Schwangerschaftsabbrüchen fällt derzeit nach Maßgabe des  Schwangerschaftskonfliktgesetzes den Ländern zu, wird jedoch nicht tiefergehend konkretisiert. Wir fordern deshalb, dass die Bundesärztekammer einen Versorgungsschlüssel als Untergrenze erarbeiten soll, nach dem ein den Umständen angemessenes Angebot an Schwangerschaftsabbrüchen definiert wird. Den Landesärztekammern soll Spielraum gegeben werden, diesen Versorgungsschlüssel regionalspezifisch anzupassen und zu konkretisieren. Die Bundesländer sollen auch zukünftig für die tatsächliche Umsetzung Sorge tragen.

Opfern sexualisierter Gewalt zur Seite stehen

Opfern sexualisierter Gewalt können vor allem durch eine verständige Verfahrensbegleitung und eine kurze Verfahrensdauer im Umgang mit den psychischen Folgen der Tat geholfen werden. Hierzu soll die psychosoziale Prozessbegleitung allen Opfern einer Straftat aus dem 13. Abschnitt des StGB ohne Bedürftigkeitsprüfung zur 101 Verfügung gestellt werden. Für die Gewährleistung des Beschleunigungsgrundsatzes ist vor allem eine spürbare personelle Aufstockung der Ermittlungsbehörden in ganz Deutschland erforderlich. Die Einrichtung spezialisierter Strafkammern am Vorbild des Landgerichts Köln wird als mögliches Vorbild für spezialisierte Strafkammern in ganz Deutschland begrüßt.

Jugendmedienkompetenz

In der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz soll die kirchliche durch eine sexualpädagogische Vertretung ersetzt werden. Generell dürfen nur Experten im Bereich Pädagogik, Psychologie und Medizin an der Entscheidung der Bundeszentrale, sowie der FSK und USK, beteiligt sein. Die Beteiligung anderer Interessengruppen – etwa der Kirchen – lehnen wir ab.

China and beyond

Deutschland soll die durch den Internationalen Gerichtshof neu eröffnete Möglichkeit nutzen, gegen gravierende Menschenrechtsverletzungen von Drittstaaten zu klagen. Hier sind etwa Verletzungen der Völkermordkonvention zu nennen, die unter anderem Zwangsabtreibungen und auch massiven sexuellen Missbrauch umfasst. Das betrifft beispielsweise den chinesischen Genozid an den Uiguren, in dessen Hinsicht die Jungen Liberalen sich bereits für eine Klageerhebung der Bundesrepublik, der EU-

Mitgliedstaaten und weiterer NATO-Verbündeter ausgesprochen haben. Die Bundesrepublik soll für jeden vermuteten Völkermord in einem Drittstaat  auf einen Schulterschluss 141 mit anderen EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik durch gemeinsame Klageerhebungen hinwirken.

Menschenhandel

Auf der Ebene der Europäischen Union soll ein Sonderbeauftragter bzw. eine Sonderbeauftragte gegen Menschenhandel eingesetzt werden, um gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution an europäischen Grenzen gezielt vorzugehen und den Informationsfluss zwischen nationalen Sicherheitsbehörden besser zu koordinieren.

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