07.10.2017

Gestern ist vorbei – Freie Demokraten und Junge Liberale nach der Bundestagswahl 2017

Am 24. September 2017 haben die Freien Demokraten den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag geschafft. Die Jungen Liberalen sind stolz, dass die FDP bei dieser Wahl ihre stärksten Ergebnisse in der Gruppe der Jung- und Erstwähler erzielen konnte. Mit dieser Wählergruppe lassen sich in Deutschland Wahlen gewinnen. Darin liegt für die Freien Demokraten ein besonderer Auftrag für die kommenden Jahre. Einerseits muss die FDP Inhalte im Deutschen Bundestag durchsetzen, die für junge Menschen relevant sind. Andererseits muss sie sich weiterhin strukturell und kommunikativ so erneuern, dass viele junge Menschen über die Freien Demokraten einen Weg finden, ihre politischen Vorstellungen zu realisieren.

Inhalte und Unabhängigkeit

Indem die Freien Demokraten ohne feste Koalitionsaussage in den Bundestagswahlkampf gegangen sind, haben sie ihre Unabhängigkeit unter Beweis gestellt. Diese Haltung muss auch nach der Wahl gewahrt werden. Bezüglich Sondierungen hinsichtlich einer eventuellen Regierungsbeteiligung sollte die FDP gegenüber allen im Bundestag vertretenen Parteien, mit Ausnahme der AfD und der Linkspartei, gesprächsbereit sein. Mit möglichen Sondierungsgesprächen darf jedoch keinesfalls eine Vorfestlegung auf eine bestimmte Koalition verbunden sein. Wenn es der FDP nicht gelingt, in hinreichendem Maße eigene Inhalte durchzusetzen, sollte sie eher in die Opposition gehen als vorschnell einer Regierungsbeteiligung zuzustimmen. Und auch, wenn sich erst später herausstellen sollte, dass sich in einer Koalition nicht die erwarteten Trendwenden erreichen lassen, muss der Weg in die Opposition noch offen stehen.

Nach Auffassung der Jungen Liberalen muss die FDP insbesondere in den folgenden Bereichen in den kommenden Jahren liberale Politik durchsetzen:

  • Bildung: Der Bund und die Länder müssen am Ende der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages mehr finanzielle Mittel für Bildung und Ausbildung zur Verfügung haben als heute, um die Schulausstattung und die Lehrerqualifikation zu verbessern. Daher fordern wir eine Änderung des Grundgesetzes, mit dem es dem Bund ermöglicht wird in Bildungsinstitutionen zu investieren. Das Kooperationsverbot wird zu einem Kooperationsgebot. Außerdem muss die Vergleichbarkeit der Abschlüsse verbessert werden und mehr junge Menschen müssen den Zugang zum BAföG erhalten, indem dieses elternunabhängig ausgestaltet wird
  • Selbstbestimmung: Die nächste Bundesregierung muss ein Einwanderungsgesetz vorlegen, mit dem die Zuwanderung nach Deutschland klarer geregelt wird. Bürgerkriegsflüchtlingen muss es nach einer bestimmten Zeit ermöglicht werden, in einen Status nach dem Einwanderungsgesetz zu wechseln. Die doppelte Staatsangehörigkeit muss unangetastet bleiben. Abschiebungen in unsichere Herkunftsländer wie Afghanistan lehnen wir ab. Die FDP muss im Deutschen Bundestag Anwalt der Bürgerrechte sein – Freiheitsbeschränkungen wie der Staatstrojaner oder das Netzwerkdurchsetzungsgesetz müssen abgeschafft werden. Die FDP muss im Deutschen Bundestag aber auch für eine fortschrittliche Gesellschaftspolitik einstehen. Dazu gehören etwa die Schaffung eines neuen Rechtsinstituts der Verantwortungsgemeinschaft sowie die Legalisierung von Cannabis.Ebenso fordern wir eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und eine Ausweitung des kommunalen Wahlrechts auf alle Personen, die seit mindestens 4 Jahren ihren Hauptwohnsitz in Deutschland haben.
  • Digitalisierung und Innovation: Deutschland muss in den kommenden vier Jahren digitalisiert werden. Durch den Verkauf der Staatsbeteiligung an der Deutschen Telekom kann der Ausbau des Glasfasernetzes finanziert werden. Die öffentliche Verwaltung muss durch die Digitalisierung bürgernaher und schneller werden. Die teils negativen Einflüsse der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt sollen durch eine groß angelegte Erwachsenenbildungsoffensive abgefedert werden. Durch Digitalisierung und weniger Bürokratie müssen innovative Geschäftsmodelle, zum Beispiel auf dem Taxi- und Wohnungsmarkt, erleichtert werden. Gleichzeitig sollen die bereits bestehenden Modelle nicht durch antiquierte Regeln, wie vorgegebene Ladenöffnungszeiten, weiter ausgebremst werden. Zudem fordern wir die Abschaffung des Kammerzwangs. Dem sich verändernden Medienkonsumverhalten junger Menschen muss durch eine Abschaffung des Rundfunkbeitrags Rechnung getragen werden.
  • Europa: Deutschland muss Vorschläge für eine tiefgreifende Reform der Europäischen Union ernsthaft prüfen und unterstützen, wenn mit ihnen ein Mehrwert verbunden ist. Wir fordern eine tiefgreifende Reform der europäischen Institutionen, durch die etwa das Europäische Parlament ein Initiativrecht erhält, die Europäische Kommission verkleinert wird und die Europäische Union demokratischer, effizienter und bürgernäher wird. Hierzu gehört genauso ein Neudenken in der gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik. Ob eine europäische Bundespolizei und Staatsanwaltschaft oder eine europäische Armee – mehr Sicherheit wird sich nur gemeinsam erreichen lassen. Dazu gehören auch eine gemeinsame Sicherung der Außengrenze, eine wirksame Seenotrettung sowie ein Verteilschlüssel für Flüchtlinge. Angestoßene Strukturreformen auf den europäischen Arbeitsmärkten müssen weitergehen – Europa muss dies durch eine neue europäische Bildungs- und Ausbildungsfreizügigkeit begleiten. Gleichzeitig lehnen wir eine gemeinsame Schuldenaufnahme durch die Euroländer, etwa mithilfe von Eurobonds, ab. Einen Europäischen Finanzausgleich oder ähnliche Konstruktionen, die falsche Anreize setzen, lehnen wir ab.
  • Generationengerechtigkeit: Der Bund darf auch in den kommenden vier Jahren keine neuen Schulden machen. Stattdessen muss mit der Rückzahlung bestehender Kredite begonnen werden, um die Zinslast im Bundeshaushalt dauerhaft zu senken. Die FDP muss sich klar gegen teure Rentengeschenke zulasten kommender Generationen stellen und eine Reform der Rentenpolitik voranbringen, die schwerpunktmäßig die private Vorsorge stärkt, um die Abhängigkeit des Einzelnen vom staatlichen Rentensystem deutlich zu reduzieren.  

Die Jungen Liberalen erwarten, dass die neue Bundestagsfraktion der Freien Demokraten in diesen Punkten, aber auch darüber hinaus das Gespräch mit den Jungen Liberalen sucht. Dabei sind vor allem die zwölf Mitglieder der JuLis im Deutschen Bundestag sowie die Mitglieder der Jungen Gruppe der Bundestagsfraktion gute Ansprechpartner.

Ob eine mögliche Koalitionsvereinbarung unter Beteiligung der Freien Demokraten zustimmungsfähig ist, sollte in einer FDP-Mitgliederbefragung nach dem Vorbild der Regierungsbildung in NRW von Mai bis Juni 2017 ermittelt werden.

Der Erneuerungsprozess endet nie

Die FDP hat bei der Bundestagswahl 2017 Erfolg gehabt, weil sie sich glaubhaft selbst erneuert hat. Dazu gehörten eine Veränderung der Kommunikation und eine Professionalisierung der Strukturen, vor allem aber die Fähigkeit, sich selbst in Frage zu stellen und zu kritisieren. Wir wollen, dass die Partei auch nach der Bundestagswahl diese Fähigkeiten behält und in der neuen Fraktion etabliert.

Nach Auffassung der Jungen Liberalen muss die Erneuerung der FDP vor allem in folgenden Bereichen weitergehen:

  • Leitbildprozess: Basis des Erneuerungsprozesses ist der Leitbildprozess der Freien Demokraten. Die Arbeitseinstellung der Partei hat sich seither zum Positiven verändert. Mut, Optimismus und Empathie machen liberale Politik greifbar. Wir fordern auch nach der Bundestagswahl eine positive, optimistische und empathische Kommunikation ein. Junge Menschen wenden sich von Politikerinnen und Politikern ab, deren vorrangiges Ziel die Vernichtung des politischen Gegners ist. Sie wenden sich der Politik zu, wenn sie das Gefühl erhalten, mit inhaltlichen Vorschlägen ernst genommen zu werden.
  • Thematische Verbreiterung: Die Zeit der außerparlamentarischen Opposition hat der FDP geholfen, neue Inhalte in den Blick zu nehmen. Ob Bildung, Digitalisierung oder Gründerkultur – dank intensiver inhaltlicher Arbeit wird die Partei in diesen Feldern zunehmend als kompetent wahrgenommen. Die FDP muss ihre neu gewonnene parlamentarische Existenz nutzen, um sich nun programmatisch noch weiter zu verbreitern. Dazu gehört, dass die Antworten auf den Feldern der Umwelt- und Energiepolitik sich nicht in einer Ablehnung der Vorschläge anderer Parteien erschöpfen dürfen.
  • Grundsatzprogramm: Die FDP hat sich erst im Jahr 2012 ein neues Grundsatzprogramm gegeben. Dieses Programm darf nicht bloß für die Archive produziert worden sein. Die Karlsruher Freiheitsthesen werfen an vielen Stellen Fragen auf, die die Partei nun durch konsequente Programmarbeit wieder aufgreifen kann.
  • Geographische Präsenz: Die FDP muss gleichermaßen in den Großstädten und auf dem Land wählbar sein. Eine besondere Verantwortung trifft die Partei und die Jungen Liberalen in den kommenden Jahren beim stärkeren Aufbau von strukturschwachen Regionen Deutschlands. Hierzu ist es erforderlich gemeinsam mit den Verbänden zu prüfen, wie diese finanziell, strukturell und durch Austausch von Erfahrungen je nach Bedarf unterstützt werden können.
  • Personelle Situation: Durch die neue Bundestagsfraktion und die zunehmende Verantwortung in den Ländern wird die FDP an der Spitze künftig personell breiter wahrgenommen werden. Sie muss sich jedoch bemühen, bestimmte Bevölkerungsgruppen auch als Mitglieder besser einzubinden. Dazu gehören vor allem Frauen, Nicht-Akademiker und Menschen mit Migrationshintergrund.
  • Moderne Strukturen: Die FDP hat in den vergangenen Jahren viele positive Neuerungen eingeführt – ob der Ombudsmann im Bundesvorstand, digitale Abstimmungen beim Bundesparteitag oder das Rederecht für alle Mitglieder. Dieser Weg muss konsequent weitergeführt werden. In den kommenden Jahren muss die FDP etwa die Frage beantworten, wie das politische Engagement von jungen Menschen realisiert werden kann, die so oft umziehen, dass sie nicht in einem festen Kreis- oder Landesverband beheimatet sein können. Die Auswahl von Kandidatinnen und Kandidaten bei öffentlichen Wahlen kann durch die Chancen der Digitalisierung transparenter und partizipativer gestaltet werden. Die Arbeit in den Vorständen der Partei muss darüber hinaus professioneller werden. Dazu gehört die Etablierung einer aktiven Fort- und Weiterbildungskultur, auch für ehrenamtlich tätige Parteimitglieder.
  • Zugänglichkeit: Nicht nur Strukturen, sondern auch Veranstaltungen müssen für mehr Menschen zugänglich sein. Die Planung soll unterschiedliche Lebensrealitäten berücksichtigen: Barrierefreiheit muss zur Regel werden. Termine sollen so gelegt werden, dass etwa Eltern leichter teilnehmen können oder eine Kinderbetreuung zur Verfügung steht.

Die Zeit der außerparlamentarischen Opposition des organisierten Liberalismus war eine Zäsur. Für uns als Jugendorganisation dürfen diese Zeit und die daraus gezogenen Lehren nicht in Vergessenheit geraten. Für uns ist daher klar: Noch mehr als in der außerparlamentarischen Opposition braucht die neue FDP eine Jugendorganisation, die ihrer Mutterpartei konstruktiv widerspricht, wenn dies nötig ist.

Zu einer modernen Partei gehört auch eine moderne Jugendorganisation. Wer von der Partei strukturelle Reformen einfordert, darf selbst nicht stehen bleiben. Auch die Jungen Liberalen müssen sich daher weiter selbst verändern. Dazu gehört nach der Bundestagswahl 2017 etwa, die innerverbandliche Digitalisierung konsequent weiter zu führen. Ferner müssen die Vorschläge der Strukturkommission erneut aufgegriffen und auf eine mögliche Umsetzung geprüft werden.

Weitere Beschlüsse

04.04.2024

Freie Wahl an der Tankstelle – Oligopol verhindern!

Der Aufbau einer Ladeinfrastruktur für das Betanken von E-Autos führt aktuell zu einer ähnlichen Oligopolbildung, wie sie von konventionellen Tankstellen...
04.04.2024

Sozialer Klimaschutz mit liberaler Klimadividende

Zum sozialen Ausgleich der steigenden CO2-Bepreisung fordern wir Junge Liberale die Einführung eines liberalen Klimagelds – der Klimadividende. Die soziale...
04.04.2024

Geh doch Blutspenden, wo du willst!

Die Jungen Liberalen wollen Blutspenden einfacher und unbürokratischer gestalten. Dazu wollen wir einen bundesweiten Blutspendeausweis einführen. Der bundesweite Blutspendeausweis soll...
Kategorien:
Filter Beschluss Organ
Mehr anzeigen