13.10.2012

Für eine liberale Demokratie – Wahlrecht und Parteiensystem reformieren

Wahlrechtliche Grundlagen einer funktionierenden Demokratie
Die Jungen Liberalen fordern eine Reform des Bundestagswahlrechts, bei der die Möglichkeit eines negativen Stimmgewichts gänzlich beseitigt wird. Hierzu sollen Direktmandate einer Partei den ihr über die maßgeblichen Zweitstimmen im Bundestag zugesprochenen Sitzen gegengerechnet und erst die Differenz, falls vorhanden, per Sainte-Laguë-Verfahren über die Landeslisten vergeben werden.
Die starre Reihenfolge der Kandidaten auf den Listen einer Partei ist nach Auffassung der Jungen Liberalen nicht mehr zeitgemäß. Wie etwa bei Kommunalwahlen in einigen Bundesländern üblich, soll der Wähler auf allen Ebenen die Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste selbst verändern können.
Die Jungen Liberalen fordern eine zeitnahe Umsetzung des Urteils zur Verfassungswidrigkeit der 5%-Hürde bei Europawahlen. Im Bundestagswahlrecht soll an der 5%-Hürde festgehalten werden.
Die Jungen Liberalen lehnen eine Wahlpflicht, wie sie in anderen europäischen Ländern praktiziert wird, entschieden ab. Ziel muss es sein, Menschen für politische Entscheidungsprozesse zu begeistern, anstatt sie zu bevormunden, denn auch die Nichtwahl ist Ausdruck einer politischen Bewertung.
Das allgemeine Wahlalter soll für alle Ebenen des politischen Systems auf 16 Jahre herabgesenkt werden. Ein Familienwahlrecht, bei dem Eltern das Wahlrecht ihrer Kinder stellvertretend wahrnehmen können, verletzt die Gleichheit der Wahl und wird von den Jungen Liberalen abgelehnt.
Die Altersgrenzen für das passive Wahlrecht sollen für alle öffentlichen Ämter, einschließlich des Bundespräsidenten, abgeschafft werden.
Die Transparenz des Wahlvorgangs ist für die Akzeptanz des Ergebnisses von entscheidender Bedeutung. Die Jungen Liberalen fordern daher, langfristig an der Wahl auf Papier-Stimmzetteln festzuhalten. Die Briefwahl ist eine ausreichende und bewährte Methode, die jedem die Teilnahme an der Wahl ermöglicht. Die Jungen Liberalen sprechen sich gegen die Stimmabgabe im Internet oder mittels eines Wahlautomaten aus.
Deutschland wird durch viele Menschen unterschiedlicher Herkunft verändert. Die Jungen Liberalen wollen Menschen, die selbst aus einem anderen Land zu uns kommen oder deren Vorfahren nach Deutschland eingewandert sind, die Möglichkeit zu politischer Teilhabe geben. Grundsätzlich soll dies über Veränderungen im Staatsangehörigkeitsrecht erreicht werden.
Die Jungen Liberalen wollen EU-Ausländer, die ihren Erstwohnsitz in Deutschland haben, im Wahlrecht mit deutschen Staatsangehörigen gleichstellen. Zudem setzen sich die Jungen Liberalen für ein kommunales Wahlrecht auch für Nicht-EU-Ausländer ein.
Parteiensystem weiterentwickeln
Wer politisch etwas verändern will, muss sich am öffentlichen Diskurs beteiligen und an Wahlen teilnehmen. Wer den entscheidenden Unterschied in einer Demokratie machen will, muss Mitglied einer politischen Partei werden. Die Jungen Liberalen sind Verfechter starker Parteien.
Die Vorteile einer Mitgliedschaft müssen deutlicher kommuniziert werden. Mitglied einer demokratischen Partei zu sein darf nichts sein, wofür man sich schämen muss. Viele Menschen wissen nicht, wie Parteien funktionieren und schrecken daher vor einem Beitritt zurück. Parteien müssen sich daher für Bürger öffnen und ihnen die Möglichkeit geben, die Entscheidungsprozesse und Abläufe zu verstehen.
In einem ersten Schritt müssen die Parteien vorhandene Instrumente nutzen, um auf Menschen zuzugehen. Für diese Maßnahmen sind strukturelle Reformen des Parteiensystems nicht zwingend erforderlich. Die Jungen Liberalen fordern die FDP auf, bei der Anwendung und Verbesserung vorhandener Instrumente konsequent voranzuschreiten. Die Jungen Liberalen fordern eine professionellere Neumitglieder- und Interessentenbetreuung mit klaren Kommunikationsstrategien. Außerdem müssen Best-Practise-Beispiele, die in diesem Zusammenhang zum Erfolg geführt haben, aktiver und systematischer in der FDP kommuniziert werden.
Es ist Aufgabe der Parteien, neben Mitgliedern, die sich schon seit vielen Jahren für das gemeinsame Ziel engagieren, auch Quereinsteigern die Möglichkeit zur politischen Gestaltung zu geben. Die FDP soll vermehrt Quereinsteiger in den politischen Betrieb einführen.
Daneben sollte in Gliederungen der FDP das Aufstellen von Listen über verbundene Einzelwahlen ohne vordefinierte Reihenfolge ausprobiert werden.
In einem zweiten Schritt müssen die Parteien durch die Nutzung neuer Wege aktiver auf den Bürger zugehen. Dabei kommt dem Internet eine Schlüsselrolle zu. Die relativ neue Möglichkeit interaktiver Diskussionsprozesse im Internet, organisiert etwa mithilfe von LiquidFeedback oder Adhocracy, macht es für Mitglieder und Interessenten einfacher, an inhaltlichen Debatten teilzunehmen. Die FDP muss hier dazulernen und neue Formen der innerparteilichen Willensbildung einführen. Die Jungen Liberalen werden dabei Vorreiter und Antreiber sein.
Neben den Innovationen im technischen Bereich müssen die Parteien auch organisatorisch neue Wege gehen. Die Bereitschaft von Menschen, sich länger an eine politische Richtung zu binden, nimmt ab. Gleichzeitig sind viele Vorteile und Rechte in einer Partei an eine Mitgliedschaft gebunden. Ziel der Liberalen muss es sein, wieder mehr Menschen für den Eintritt in die
60 FDP zu gewinnen. Mehr Menschen in demokratischen Parteien stärken immer auch die Demokratie insgesamt. Auf diesem Weg können die Einführung von kostenlosen Probemitgliedschaften und ein professionelles Freiwilligenmanagement sinnvolle Angebote für Menschen sein, die sich zwar zeitweise politisch einbringen wollen, für die aber der Beitritt in eine Partei noch keine Option ist. 
Ein zentraler Punkt bei der Bewertung von Parteien durch potenzielle Mitglieder macht die Attraktivität von Veranstaltungen aus. Die Veranstaltungsformate der FDP müssen daher noch stark weiterentwickelt und durch neuere Formen ergänzt werden. Gleichzeitig müssen die Partizipationsmöglichkeiten für alle Mitglieder auf Parteitagen weiter ausgebaut werden. So fordern die Jungen Liberalen ein Rederecht für alle Mitglieder der FDP auf Bundesparteitagen. Eine liberale Partei sollte nicht den Diskurs mit ihren eigenen Mitgliedern scheuen.
Künftig sollten die Kandidaten der FDP für öffentliche Wahlen verstärkt durch Urwahlen bestimmt werden können. Die Jungen Liberalen wollen über die Kandidaten der FDP die Mitglieder im Wahlgebiet befragen lassen können. Bei der Aufstellung von Kandidaten in einem Wahlkreis ist dies heute schon der Fall. Das Prinzip ließe sich aber auch auf die Wahl von Spitzenkandidaten auf anderen Ebenen ausdehnen. Dabei kann die Wahl entweder unmittelbar als Urwahl erfolgen oder als Kombination aus Basis-Befragung und Delegiertenversammlung, bei der die finale Abstimmung immer noch durch Delegierte stattfindet.
Auch eine Einbindung von Nicht-Parteimitgliedern bei der Auswahl von Kandidaten sollte für die Gliederungen der FDP eine mögliche Option sein. Hierbei gilt der Grundsatz, dass zunächst Urwahlen auszuprobieren sind, bevor Nicht-Parteimitglieder eingebunden werden. Als ein möglicher Schritt könnte die Aufstellung von Kandidaten auf Delegiertenversammlungen verstärkt mit Regional- und Basiskonferenzen kombiniert werden, bei denen auch Nicht-Mitglieder beteiligt sind. Durch das Einholen von Stimmungsbildern von Basismitgliedern und Nicht-Mitgliedern können sich die Legitimation der einzelnen Kandidaten, die Motivation der Partei sowie die Offenheit der Partei gegenüber der Gesellschaft erhöhen.
Eine verbindliche Beteiligung von Nicht-Mitglieder bei internen Parteiwahlen machen eine Parteimitgliedschaft unattraktiv und führen langfristig zu einer Fokussierung der Gesellschaft auf Personalwahlen. Die Jungen Liberalen lehnen daher Regelungen in diese Richtung klar ab
Die Jungen Liberalen lehnen Unternehmensbeteiligungen von Parteien ab. Besonders kritisch, sehen wir hierbei Beteiligungen an Medienunternehmen. Wir setzen uns dafür ein, dass das geltende Parteienrecht entsprechend geändert wird.
Die Jungen Liberalen begrüßen die Anstrengungen der Bundes-FDP und deren Gliederungen, eine umfassende Parteireform durchzuführen. Hierzu gehört insbesondere die erfolgte Gründung der AG Parteientwicklung. Die Jungen Liberalen erachten dieses Gremium als richten Ansprechpartner für die Einbringung ihrer Ideen in diesem Prozess. 
Hierbei fordern wir die FDP jedoch deutlich auf, auf alle Vorschläge konsequent einzugehen und diese auszuprobieren. Die Parteireform darf nicht, wie viele vorherige Vorhaben, nach etwa einer Reihe von Regionalkonferenzen ohne maßgeblichen Änderungen an bestehenden Verfahren, wieder unten den Tisch fallen. 
Die Jungen Liberalen werden in diesen Prozess die vorher genannten Forderungen einbringen.

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