20.08.2022

Einführung eines Interessenvertretungsgesetzes – für Transparenz, Akzeptanz und Legitimität

Der Diskurs zum Einfluss organisierter Interessengruppen auf den politischen Willensbildungs-und Entscheidungsprozess wird bereits seit einiger Zeit kontrovers geführt. Zum einen wird die Berücksichtigung von gesellschaftlichen Interessen im politischen Diskurs als Wesensmerkmal pluralistischer Demokratien betrachtet, während sich die Akteure der Interessenvertretung zum anderen immer wieder mit Vorwürfen zur illegitimen Einflussnahme konfrontiert sehen.

In diesen Kontext lässt sich die Diskussion zur Einführung eines Lobbyregisters in Deutschland einbetten. Ein entsprechendes Register würde nicht nur Transparenzregeln und Registrierungspflichten für Akteure der Interessenvertretung festlegen, sondern auch finanzielle Organisationsstrukturen transparenter gestalten sowie Karenzzeiten bei personellen Wechseln zwischen Politik und Wirtschaft normieren. Ein Lobbyregister trägt mithin sowohl dem Mitwirkungsrecht von Interessenvertretern, als auch dem Transparenzinteresse der Öffentlichkeit im Zuge von Gesetzgebungsprozessen Rechnung.

Dies vorausgeschickt fordern die Jungen Liberalen die Einführung eines Interessenvertretungsgesetzes auf Bundesebene.

Folgende Parameter sollen dabei Berücksichtigung finden:

A. Registrierungs- und Transparenzpflichten

Die bisherige Registrierungsliste des Deutschen Bundestages erfasst lediglich Verbände und keine weiteren Akteure der Interessenvertretungslandschaft in Deutschland. Zudem werden auf freiwilliger Basis nur wenige Angaben von den Verbänden eingefordert.

Um die Transparenzregeln gegenüber dem Status Quo zu erhöhen, fordern die Jungen Liberalen die Einführung eines öffentlich einsehbaren, jahresaktuellen Lobbyregisters auf gesetzlicher Grundlage, das eine verbindliche Registrierungspflicht für alle Personen und Organisationen vorsieht, die entgeltliche Lobbyarbeit gegenüber dem Bundestag sowie den Bundesbehörden betreiben. Ferner sind das Lobbybudget, der Auftraggeber sowie die bearbeiteten Politikfelder in ein entsprechendes Register aufzunehmen. Angelehnt an die Nebentätigkeitenregelung für Bundestagsabgeordnete soll eine stufenweise Offenlegung des jährlichen Lobbybudgets erfolgen. Bürgerinnen und Bürger sind selbstverständlich von einer Registrierungspflicht auszunehmen. Diesem Umstand könnte mit einer gesetzlichen Eingrenzung des Begriffs der Interessenvertretung Rechnung getragen werden. Auch wäre es denkbar, die Registrierungspflicht erst ab einem fünfstelligen jährlichen Lobbybudget einzufordern. Dies würde nicht nur einen registrierungsfreien Zugang für Bürgerinnen und Bürger sicherstellen, sondern auch wirtschaftlich weniger potente Akteure sowie die Verwaltung als Administrationsstelle des Lobbyregisters von Bürokratie entlasten.

Weitere Ausnahmetatbestände sollten nur in Betracht gezogen werden, insofern ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Registrierungspflichtigen zu befürchten ist.

Eine sog. legislative Fußspur, bei der die individuellen Kontakte zwischen Interessenvertretern und Vertretern der Exekutive und Legislative als Anhang zu jedem Gesetzesvorhaben gelistet werden, lehnen die Jungen Liberalen ab, da dieses Instrument lediglich Aussagen über die Quantität von Kontaktersuchen trifft, einen erheblichen bürokratischen Aufwand nach sich zieht und nicht unwesentlich in den Schutzbereich des freien Mandats aus Art. 38 GG eingreift.

B. Institutionalisierung und Sanktionierung

Ein Lobbyregister verlangt auch eine professionelle Administration. Die Registrierungspflicht könnte dabei wie bisher von der Verwaltung des Deutschen Bundestages übernommen werden. Denkbar wäre jedoch auch die Einrichtung eines entsprechenden Bundesbeauftragten, der, in Anlehnung an den Wehrbeauftragten, vom Deutschen Bundestag gewählt und zu einem Jahresbericht verpflichtet werden würde. In jedem Fall sollten der Administrationsstelle Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsfunktionen zugeordnet werden, denn die Akzeptanz und der Erfolg eines Lobbyregisters hängt maßgeblich von seiner Wirksamkeit ab. Lückenhafte oder falsche Angaben müssen folglich mit Sanktionen, wie beispielsweise empfindlichen Geldstrafen, versehen werden. Als Maßstab für die Ausgestaltung der Registrierungspflichten und Sanktionierungsmechanismen können vergleichbare rechtliche Regelungen in den USA, Kanada, Großbritannien oder Irland dienen.

C. Karenzzeitregelung für Minister und Staatssekretäre

Parlamentarische Staatssekretäre, Bundesminister sowie der Bundeskanzler stellen neben der Ministerialbürokratie und den Parlamentariern die Hauptadressaten lobbyistischer Prozesse dar. Mithin erscheint es geboten, für diese exponierten Politiker eine angemessene Karenzzeit zu formulieren, insofern das ehemalige politische Amt in einem Zusammenhang mit einer folgenden wirtschaftlichen Tätigkeit steht. Hierbei ist auf Basis des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine Karenzzeit festzulegen, die der Gefahr von Interessenkonflikten zwischen der alten und neuen Beschäftigung ebenso Rechnung trägt wie dem Recht der Betroffenen auch nach einem politischen Spitzenamt einer anderen Tätigkeit nachzugehen. Die aktuelle 18-Monatsregelung halten die Jungen Liberalen für ausreichend. Jedoch sollte die Entscheidung über die Zulässigkeit einer neuen Tätigkeit zukünftig nicht mehr von der Bundesregierung, also von dem Verfassungsorgan getroffen werden, dem der Betroffene vorher angehört hat, sondern der Deutsche Bundestag ein entsprechendes Votum treffen. Auch ist im Rahmen der Karenzzeit ein Übergangsgeld zu zahlen.

Eine Ausweitung der Karenzzeitregelungen auf Abgeordnete und Beamte lehnen die Jungen Liberalen ab. Ein unabhängiger Abgeordneter ist mithin nicht nur derjenige, der sich beim Umgang mit Interessenverbänden integer verhält, sondern der im Zweifel wirtschaftlich nicht auf eine persönliche Wiederwahl angewiesen ist und auch in einem außerparlamentarischen beruflichen Umfeld tätig werden kann. Zudem sind im Beamtenrecht bereits vergleichsweise strikte Vorgaben beim Wechsel aus dem öffentlichen Dienst in die Wirtschaft zu verzeichnen.

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