07.10.2017

Behörde 4.0 – Potentiale der Digitalisierung auch in der öffentlichen Verwaltung nutzen

Wir Junge Liberale sehen großes Potential in der Ausschöpfung der Digitalisierung im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Digitale Technologien sind in ihrer Entwicklung soweit  fortgeschritten, dass auch komplexe Verwaltungsakte nun automatisiert erlassen werden können. Der Staat hat die Aufgabe systematisch nach Möglichkeiten des Effizienzgewinnes durch Technologie in seinen Behörden zu suchen und auf Grundlage von Kosten-Nutzen-Abwägungen in deren digitale Transformation zu investieren. Ziel ist es Einsparpotenziale zu erschließen, den Haushalt zu entlasten und den Umgang der Behörden mit den Bürgern und Unternehmen zu vereinfachen. Dabei gilt es grundsätzlich, die Nachvollziehbarkeit der automatisierten Prozesse zu wahren und Sicherheit von personenbezogenen Daten zu garantieren.

Die digitale Transformation voranzutreiben ist die zentrale Herausforderung, der sich unser Verwaltungsapparat in den nächsten Jahren stellen muss. Daher fordern wir ein zentrales und behördenübergreifendes Digitalisierungsprogramm der Bundesregierung.


Die digitale Behörde

Noch immer lassen sich die allerwenigsten Behördengänge vom Bürger digital erledigen. Dabei bietet gerade die Interaktion zwischen Bürger und Staat weitreichende Möglichkeiten zur Bereitstellung von Self-Service-Angeboten, die weit über die Terminvereinbarung beim Bürgeramt hinausgehen. Wir fordern bei jeder behördlichen Dienstleistung zu prüfen, inwieweit diese in elektronischer Form über das Internet bereitgestellt werden kann. Ziel ist es, neben Kosteneinsparungen, die Behörden in ihrer Kapazität zu entlasten und dem Bürger, wie auch den Unternehmen, einen freundlicheren und unbürokratischeren Umgang mit dem Staat zu ermöglichen. Und selbst für Angelegenheiten, die nicht online erledigt werden können, soll es künftig möglich sein, über das einzurichtende digitale Bürgerportal als One-Stop-Shop notwendige Formulare vorab auszufüllen, den Bearbeitungsstand nachzuverfolgen sowie Termine zu beantragen, sodass die Warte- und Bearbeitungszeit im Bürgeramt selbst auf ein Mindestmaß reduziert werden können. Diesbezüglich soll auch geprüft werden, ob selbst bei höchstpersönlichen Angelegenheiten, wie der Beantragung von Ausweisdokumenten, alle Formalia vorab online erfolgen können, sodass nur noch die Identität bei Abholung vor Ort überprüft werden muss. Wir Jungen Liberalen fordern weiterhin, dass sich Behörden besser erklären und vernetzen. Hierfür fordern wir die Einführung eines verbindlichen Qualitätsstandards für Internetauftritte von öffentlichen Einrichtungen und Behörden. Dies betrifft sowohl Sprachfassungen als auch inhaltliche Qualität der Informationen und den barrierefreien Zugang. Zudem muss die digitale Zugänglichkeit zu allen öffentlichen Verwaltungsvorgängen, Gesetzesvorhaben, Gerichtsurteilen sowie die Einführung eines online zugänglichen Parlaments-TVs, welches Plenar- und Ausschusssitzungen von Bundes-, Landes- und Kommunalparlamenten überträgt. Eine bessere Vernetzung wird über die Schaffung von digitalen Plattformen zum Austausch zwischen öffentlichen Einrichtungen gleicher Art, wie z.B. BAföG-Ämtern, Gerichten, Einwohnermeldeämtern oder Sicherheitsbehörden sichergestellt.


Nutzung moderner Technologien

Moderne Technologien ermöglichen es, sensible personenbezogene Daten so zu speichern und zu verwerten, dass diese zuverlässig vor unbefugtem Zugriff geschützt sind und deren Manipulation ausgeschlossen werden kann. Damit ermöglichen sie erstmalig die umfangreiche, verlässliche und vor allem auch sichere Automatisierung vieler behördlicher Prozesse. Wir Junge Liberale sehen in den neuen Technologien großes Potential für den Einsatz in der Verwaltung und fordern deren Erprobung in Pilotprojekten auch in Deutschland. Zu modernen Technologien gehört es auch, sowohl die innerbehördliche Kommunikation als auch die Kommunikation mit den Bürgern zu verschlüsseln. Dazu gehört der konsequente innerbehördliche Ensatz von Verschlüsselungstechnologien für eMails und Dateien, insbesondere mit personenbezogenen Daten, als auch das Angebot, verschlüsselt mit den Bürgern zu kommunizieren. Schulungen der Mitarbeiter der öffentlichen Behörden sind dafür die notwendige Grundlage. Hierfür sollte grundsätzlich der Ansatz freier Software verfolgt werden. Das Beispiel des elektronischen Personalausweises sowie die Sicherheitslücken der Wahlsoftware haben gezeigt, dass proprietäre, staatlich entwickelte Software nicht die Ansprüche an Sicherheit erfüllt.

Die digitale Akte der Lebenstransaktionen

Ziel könnte zum Beispiel die Einführung einer digitalen Akte der Lebenstransaktionen sein, die als gemeinsame Grundlage der behördlichen Arbeit sowohl für Bürger wie auch Unternehmen dienen könnte. In der Akte können alle wichtigen Lebenstransaktionen, z.B. der Bildungsabschluss, die Eheschließung, der Immobilienkauf oder der Wechsel der Meldeadresse hinterlegt werden. Welche Informationen tatsächlich gespeichert werden, entscheidet allein der Bürger. Alle gespeicherten Daten sind behördlich bestätigt und können als zertifizierter Nachweis, auch gegenüber Dritten, genutzt werden. Dabei bestimmt ausschließlich der Bürger selbst, wer Zugriff auf welche Daten erhält. Die mit der Geburt vergebene Steuer-ID könnte so zum Beispiel durch nach der Geburt generierte, cryptographische Schlüssel ersetzt werden, auf deren Basis die Akte angelegt wird. Diese könnten später auch über den elektronischen Personalausweis gespeichert und für verschiedene Zwecke nutzbar gemacht werden.
 Um einen Single-Point-Of-Failure sowie Identitätsdiebstahl zu vermeiden, darf es in keinem Fall einen einzigen Schlüssel geben, der Zugriff auf sämtliche personenbezogenen Daten erlaubt. Eine Idee wäre die Bereitstellung von Speicherplatz im Personalausweis, um das Speichern eigener Schlüssel für verschiedene Dokumente zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen Bürger öffentliche Angebote niedrigschwellig nutzen können. Hierfür fordern wir die Einführung eines freiwilligen Bügerserviceprofils, welches für jeden Bürger über seinen Personalausweis zugänglich sein soll. Die Einhaltung neuester Verschlüsselungs- und Sicherheitsstandards sowie datenschutzrechtlicher Vorgaben soll dabei die Datensicherheit gewährleisten. Das Bürgerserviceprofil könnte folgende Inhalte haben: Informationen über relevante kommunale Vorhaben und Beteiligungsmöglichkeiten daran; Teilnahmemöglichkeiten an Bürgerbegehren und unverbindlich erhobenen Stimmungsbildern; Zugang zur digitalen Behörde; Zugang zu einem Mängel-Melder, mit welchem Beschwerden und aktuelle Anregungen an die Verwaltung direkt weitergegeben werden können. Die öffentliche Verwaltung ist dazu zu verpflichten, die Nutzung der Akte zu ermöglichen.

Datensicherheit ist die Bedingung

Wir Junge Liberale erkennen jedoch auch an, dass, neben den herausragenden Möglichkeiten, die die Digitalisierung der Verwaltung verspricht, ein solcher Einsatz von Technologie Risiken birgt. So erachten wir die Einführung einer digitalen Akte der Lebenstransaktionen nur dann als sinnvoll, wenn technisch gewährleistet ist, dass niemand, explizit einschließlich des Staates, ohne Zustimmung des Bürgers Einsicht nehmen kann. Ebenso muss die Manipulation der Daten ausgeschlossen werden können. Diese Bedingungen sollen dadurch erfüllt werden, dass die Daten dezentral auf möglichst vielen Servern von Bundes- wie auch Landesbehörden gespeichert werden. Die Akten warden individuell verschlüsselt und sind nur mit dem Schlüssel des Bürgers zugänglich. Sämtliche Änderungen sowie Einsichten in die Akten werden gespeichert und sind nachvollziehbar, wodurch das Missbrauchsrisiko eingedämmt wird. Hierzu soll die Bundesregierung den Auftrag erhalten, den Einsatz von Distributed-Ledger-Technology (DLT) bzw. Blockchain-Technologie für die staatliche Datenverwaltung zu erforschen. Wichtig ist, dass bei der Erprobung neue technologische und mathematische Entwicklungen (insb. im Hinblick auf Verschlüsselung durch Quantencomputer und die P=NP-Frage) berücksichtigt werden; unter allen Umständen muss vermieden werden, ein riesiges Datengrab zu schaffen, welches in 10-20 Jahren ausgelesen werden kann.

Automatisierte Verwaltung

Behördliche Prozesse sollen, wo immer auf Basis von Kosten-Nutzen Abwägungen und unter Beachtung der Anforderungen an eine rechtsstaatliche Verwaltung sinnvoll möglich, konsequent automatisiert werden. In weiten Teilen der Verwaltung, nämlich dort, wo die Verwaltung mit den Daten einzelner Bürger in Berührung kommt, spielt die digitale Akte der Lebenstransaktionen eine zentrale Rolle. Wir wollen, dass Bürger und Unternehmen in Zukunft mit nur wenigen Ausnahmen sämtliche Anträge papier- und unterschriftlos stellen können.

Bürger werden die Möglichkeit erhalten online Verwaltungsprozesse auszulösen, welche automatisch und mit geringem zeitlichen Umfang bearbeitet werden. Zudem fordern wir den Übergang zu vollautomatischen,antragslosen begünstigenden Verwaltungsakten für Sozial- und Dienstleistungsangelegenheiten, die keiner Überprüfung bedürfen, z.B. im Sterbefall.

Bedienung und Übersichtlichkeit für alle gewährleisten!

Die Jungen Liberalen wünschen sich, dass all die oben genannten Maßnahmen auch Generationen eröffnet werden können, welche keine „Digital Natives“ sind.
Gut verständlich, mit einfachen Angaben und möglichst wenig Klicks ist so zu gewährleisten, dass auch ältere Menschen die Angebote möglichst selbst nutzen können, auch wenn sie nicht von klein auf an die digitale Welt herangeführt wurden. Gleiches gilt für die Barrierefreiheit: Tools für eingeschränkte Menschen sind einzurichten (z.B. Lupen- oder Vorlesefunktion).

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