15.03.2014

Auf dem Weg zu einem weltanschaulich neutralen Staat

Die Jungen Liberalen möchten eine Gesellschaft verwirklichen, in der Menschen verschiedener Herkunft, Kultur, Religion oder Weltanschauung gleichberechtigt miteinander leben.
Voraussetzung dafür ist, dass die Menschen frei von jeglichen staatlichen Privilegierungen und Diskriminierungen nach ihren Glaubensüberzeugungen oder nichtreligiösen Weltanschauungen leben können.
Voraussetzung ist auch die Erkenntnis, dass das Glaubensbekenntnis der Bevölkerungsmehrheit und die historische Bedeutung des Christentums aus Deutschland kein christliches Land machen. Vielmehr können nur die einzelnen Menschen, nicht aber ganze Länder einer Religion angehören.
Die Religionsfreiheit ist untrennbar verbunden mit einer klaren Trennung von Staat und Religion.
Nur ein Staat, der Kirche und Glauben konsequent dem nichtstaatlichen Bereich zuordnet, tritt allen Religionen und Weltanschauungen gleich gegenüber. Eine Vermengung von Staat und Religion ist dagegen zwangsläufig mit Ungleichbehandlungen verbunden.
Die Jungen Liberalen wollen daher einen weltanschaulich neutralen Staat in Kommunen, Land und Bund verwirklichen. Wir treten für eine Gleichberechtigung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein, die mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes im Einklang stehen. Dies ist auch mit einem Verzicht der christlichen Kirchen auf ihre historisch gewachsenen Privilegien verbunden.
Weltanschauliche Neutralität des Staates fördert Integration.
Ein weltanschaulich neutraler deutscher Staat vergrößert die Chancen, dass Migranten jeglichen religiösen oder nichtreligiösen Hintergrundes sich in Deutschland angenommen fühlen. Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir nicht in einem grundsätzlich christlichen Land leben in dem Andersgläubige nur geduldet werden.
Weltanschauliche Neutralität respektiert die Interessen der Nichtreligiösen.
Alle Wertvorstellungen und Weltanschauungen verdienen dieselbe staatliche Anerkennung. Diese wird aber den über ein Drittel Konfessionslosen in Deutschland aufgrund der staatlichen Fokussierung auf Kirchen nicht zuteil. Kirchen in diesem Sinne sind die durch Staatsverträge mit der Bundesrepublik Deutschland oder den Bundesländern verbundenen Religionsgemeinschaften. Durch diese finanzielle Privilegierung werden auch konfessionslose Bürger dazu gezwungen diese indirekt durch ihre Steuern zu fördern.
Weltanschauliche Neutralität ist Minderheitenschutz.
Gerade im religiösen Bereich kommt dem Minderheitenschutz eine große Bedeutung zu. Wenn staatliche Instanzen religiöse Fragen entscheiden, birgt dies stets das Risiko der Übervorteilung von andersgläubigen Minderheiten. Jeder Religion oder Weltanschauung muss der Staat denselben Wert beimessen, unabhängig davon ob ihr Millionen von Menschen angehören oder ob sie nur von einem einzelnen Menschen gelebt wird.
Weltanschauliche Neutralität hat Vorbildcharakter.
Nur ein Staat, der sich ohne Wenn und Aber als weltanschaulich neutral versteht, nicht jedoch ein bloß christlich-toleranter Staat, kann weltweit als Vorbild für die Verwirklichung von Religionsfreiheit dienen. Wir könnten Staaten, in denen religiöse Bekenntnisse vorgeschrieben und Andersgläubige unterdrückt werden, nur so widerspruchslos entgegentreten.
Die FDP fordern wir als ersten Schritt dazu auf, die Thesen „Freie Kirche im freien Staat“ der F.D.P. von 1974, die bis heute Beschlusslage sind, endlich wieder aktiv ins Visier zu nehmen und auch auf Bundesebene in die tagesaktuelle Politik einzubringen.
Darüber hinaus fordern wir folgende Schritte auf einem Weg zu einem weltanschaulich neutralen Staat:
1. Abschaffung des Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts für Religions – oder Weltanschauungsgemeinschaften
Die Trennung von Kirche und Staat erfordert eine Aufhebung des Status von Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Denn hiermit ist öffentlich-rechtliches Handeln der Kirchen, insbesondere das Recht zur Steuererhebung und die Dienstherrenfähigkeit für Beamte nicht vereinbar. Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung (WRV), der über Artikel 140 GG unmittelbar geltendes Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland ist, muss entsprechend geändert werden. Stattdessen soll eine Überführung aller Kirchen und aller Religions– oder Weltanschauungsgemeinschaften in Körperschaften des privaten Rechts erreicht werden. Die mit dem Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften verbundenen steuerlichen Begünstigungen und andere Privilegien entfallen. Da dieses Vorgehen einschneidende Änderungen nach sich zieht, muss die Realisierung als Prozess verstanden und angestoßen werden, welcher unzumutbare Härten im sozialen und gesellschaftlichen Leben vermeidet. Im selben Maße wie andere Organisationen soll den Kirchen selbstverständlich das Recht erhalten bleiben, staatliche Zuschüsse zu beantragen.
2. Ablösungen der Staatskirchenverträge
Alle Staatskirchenverträge sollen durch Einmalzahlungen abgelöst werden. Neue Verträge, insbesondere solche, die kein Kündigungsrecht enthalten und so künftige Gesetzgeber undemokratisch in ihren Entscheidungen einschränken, sollen nicht abgeschlossen werden. Viele Gemeinden und Bundesländer sind aufgrund von Konkordaten und Staatskirchenverträgen oft noch aus dem 19. Jahrhundert gezwungen, bis heute regelmäßig Finanz– und Sachleistungen an die Kirchen zu erbringen. Der Bund wird dazu aufgefordert, der Verpflichtung nach Art. 140 GG, 138 WRV endlich nachzukommen und Grundsätze für die Ablösung von Staatsleistungen an Kirchen festzulegen. Steuerbefreiungen und Zuschüsse für wohltätige Zwecke der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften unterliegen dann den allgemeinen Gemeinnützigkeitsbestimmungen. Alle darüber hinausgehenden Privilegien sind abzuschaffen.
3. Religiöse Symbole im öffentlichen Raum
Die weltanschauliche Neutralität des Staates verlangt, dass in staatlichen Einrichtungen keine religiösen Symbole (wie zum Beispiel das christliche Kreuz) angebracht werden. Bereits vorhandene Symbole aus der Bausubstanz bestehender Gebäude zu brechen, ist allerdings unverhältnismäßig – vielmehr muss besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, dass öffentliche Neubauten weltanschaulich neutral gestaltet werden.
4. Religionsunterricht an Schulen
Die Jungen Liberalen schlagen ein neues Modell für den Religionsunterricht vor, der das allgemeine Verständnis aller Religionen und damit Toleranz fördern soll. Dabei sollen die Schüler aller Schulformen statt an einem Bekenntnisunterricht an einem wertneutralen Religionskunde- und Ethikunterricht teilnehmen. Durch diesen langjährigen und gemeinsamen Unterricht können alle größeren Religionsgruppen differenziert dargestellt werden. Außerdem können allen Schülern philosophische Grundkenntnisse vermittelt werden. In der Oberstufe soll den SchülerInnen zur Wahl gestellt werden, ob sie an einem vertiefenden allgemeinen Religionskundeunterricht oder einem vertiefenden Philosophieunterricht teilnehmen möchten. Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes soll entsprechend geändert werden.
Zudem sollen alle religiösen Bildungs- und Erziehungsziele aus den Landesverfassungen gestrichen werden.
5. Seelsorge
Die religiöse Seelsorge in staatlichen Institutionen, wie der Bundeswehr, dem Strafvollzug oder der Polizei muss weiter sichergestellt werden. Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften müssen Zugang zu diesen Institutionen haben. Sie sollen dabei die eingesetzten Personalkosten tragen, der Staat die erforderlichen Sachkosten tragen. Der Staat soll darüber hinaus in diesen Institutionen eine religionsneutrale psychologische Betreuung bereitstellen.
Die religiöse Seelsorge bei Auslandseinsätzen wird bedarfsgebunden weiter staatlich finanziert
7. Medien und Religion
Die Jungen Liberalen lehnen staatlich gesicherte Drittsendungsrechte der Kirchen beim privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab. Hierzu soll Artikel 42 Absatz 1 des Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien (RStV), nachdem der katholischen und evangelischen Kirchen sowie jüdischen Gemeinden auf Wunsch Sendezeit eingeräumt werden muss, gestrichen werden. Religiöse und weltanschauliche Inhalte bleiben vom Grundauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiterhin umfasst.
8. Gotteslästerung
Der Strafbestand der Gotteslästerung (§ 166 StGB) ist mit Grundrechten wie der Meinungsfreiheit unvereinbar und soll deswegen gestrichen werden.
9. Die Jungen Liberalen fordern die Abschaffung sämtlicher kirchlicher Privilegien und Sonderrecht im Arbeitsrecht, soweit sie nicht Stellen mit praktischer Ausübung religiöser Arbeit betreffen.

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