JuLis in der Tagesschau: “Druck machen und Kontra geben”

Den vollständigen Bericht von Jan Zimmermann zu unserem Bundeskongress findest Du hier.

Die Jungen Liberalen haben klare Vorstellungen von der möglichen Ampel-Regierung. Deshalb werden sie ihrer Mutterpartei FDP auch gründlich “auf die Finger schauen”. An der Union ließen sie auf ihrem Bundeskongress kein gutes Haar.

Schuldenbremse einhalten, elternunabhängiges BAföG einführen, mehr Digitalisierung – einiges, was sich die Jungen Liberalen wünschen, scheint Platz im neuen Koalitionsvertrag zu finden. So zeigen sich die Mitglieder größtenteils mit den bisherigen Ampel-Verhandlungen zufrieden. Doch eines ist auch klar: “Wir werden der FDP auf die Finger schauen” und “Sie werden von uns hören”. Mit “Sie” sind die Parteispitze und die Öffentlichkeit gemeint.

Was sich wie eine Drohung anhöre, sei als kritisch-konstruktive Begleitung der Mutterpartei gemeint, betont die neue Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann.

Mitgliederzuwachs bei den JuLis

Brandmann ist 27 Jahre alt, kommt aus Nordrhein-Westfalen, engagiert sich seit zwölf Jahren bei den Jungen Liberalen (kurz JuLis) und ist auf dem Bundeskongress in Erlangen zur Chefin des Jugendverbands gewählt worden.

Der bisherige Vorsitzende Jens Teutrine trat nicht mehr zur Wahl an. Er ist im September in den Bundestag eingezogen und feilt derzeit in zwei Arbeitsgruppen am neuen Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen. Nach eigenen Angaben sind die Jungen Liberalen mit 13 Abgeordneten im neuen Parlament vertreten. Sie haben Gewicht in der FDP, sitzen beispielsweise auch im Bundesvorstand.

Die Mitgliederzahl der Jungen Liberalen ist zuletzt deutlich gestiegen und hat sich in den vergangenen sechs Jahren fast verdoppelt. Insbesondere in diesem Jahr gab es einen Schub auf 13.500 Mitglieder.

Erfolg bei jungen Wählerinnen und Wählern

Der große Erfolg der FDP bei jungen Wählerinnen und Wählern bei der Bundestagswahl ist auch den JuLis zu verdanken, davon ist der bisherige Vorsitzende Teutrine überzeugt. Bei den Erstwählern war die FDP sogar an der Spitze. Gleichauf mit den Grünen holten sie in dieser Gruppe die meisten Stimmen. In einer repräsentativen Nachwahlbefragung von infratest dimap kommen beide Parteien bei den Erstwählern auf jeweils 23 Prozent der Stimmen.

Was auf den ersten Blick wie eine große Überraschung wirkt, ist in Wirklichkeit nur eine kleine. Hohe Werte bei jungen Wählern verzeichneten die Liberalen schon bei vergangenen Wahlen. Bereits im Wahlkampf 2017 setzte die FDP verstärkt auf Themen wie Digitalisierung und Bildung – Themen, die für junge Menschen besonders wichtig sind.

Mit ihrer Kritik an den Corona-Maßnahmen punkteten die Liberalen in jungen Altersgruppen zusätzlich. Zudem wissen die Liberalen, wie Social Media funktioniert. Ähnlich wie die Grünen sind sie dort im Wahlkampf stark vertreten gewesen. Dort, wo eben die jungen Wähler sind.

Den Unterschied machen

Die neue Bundesvorsitzende Brandmann und ihr Vorgänger Teutrine sind sich der Verantwortung, die mit dem Erfolg einhergeht, bewusst. “Wir haben dafür geworben, dass es einen Unterschied macht, wenn man die FDP wählt. Jetzt muss es auch tatsächlich einen Unterschied machen”, so Teutrine.

Die jungen Liberalen wollen genau darauf achten, dass sich ihre Wahlversprechen in einem möglichen Ampel-Koalitionsvertrag wiederfinden. Dazu zählen der Ausbau der Digitalisierung, die Modernisierung des Bildungssystems und eine umfassende Rentenreform.

Reformstau – die Union ist verantwortlich

Besonders scharf wurde auf dem Bundeskongress der Jungen Liberalen die Union kritisiert. Den in Deutschland zu beobachtende Reformstau schieben die Jungen Liberalen der Partei in die Schuhe, die 16 Jahre die Kanzlerin stellte. In Deutschland sei die Steuer- und Abgabenlast besonders groß, dennoch seien beispielsweise die Schulen vielerorts in einem katastrophalen Zustand.

Darüber hinaus hagelte es Kritik an Corona-Maßnahmen wie Ausgangssperren und Schulschließungen. Diese seien aus Sicht der Jungen Liberalen in der Vergangenheit nicht zielführend und verhältnismäßig gewesen.

“Wir sind das marktwirtschaftliche Gewissen”

Mit dem vorliegenden Ampel-Sondierungspapier sind die JuLis recht zufrieden, aber nicht glücklich. Viele Mitglieder sind noch misstrauisch, was davon tatsächlich und in welchem Umfang im Koalitionsvertrag landet. Auch wenn mehrere Mitglieder wie Teutrine an den Koalitionsverhandlungen mitarbeiten und versuchen, im Sinne der jungen Wähler zu verhandeln, bleibt offen, was die Chefverhandler in den kommenden Tagen aus den Arbeitspapieren der zahlreichen Arbeitsgruppen am Ende in den Koalitionsvertrag übernehmen.

Die jungen Liberalen wollen der FDP in jedem Fall auf die Finger schauen und verstehen sich als Korrektiv, wenn die Liberalen in einer möglichen Koalition mit SPD und Grüne zu stark unter Kompromissdruck geraten. Kommt die Ampel, sehen sich die Jungen Liberalen als das “markwirtschaftliche Gewissen”. Schließlich gebe es andere politische Jugendorganisationen, die zum Beispiel von einem Systemwechsel und Enteignungen träumen, sagt Treutine. “Da werden wir als JuLis den Kontrapart setzen müssen.”

Man wolle sich dafür einsetzen, dass nötige marktwirtschaftliche Reformen wie ein finanziell stabiles Rentensystem jetzt tatsächlich kommen. In der Klimapolitik lehnen die Jungen Liberale viele Vorstellungen der Grünen ab. Andere würden Regulierungen und Bürokratie wollen, sie sehen in marktwirtschaftlichen Instrumenten die Lösung der Klimakrise. Jens Teutrine: “Ich bin überrascht, wenn der politische Wettbewerber meint, wir könnten die Krise durch Deindustrialisierung, Verzicht und Verbote lösen. Ich glaube nicht, dass uns ein anderes Land hinterläuft, wenn wir auf unseren Wohlstand verzichten.”

Platz für die Themen junger Menschen

Neben “kritisch-konstruktivem” Auf-die-Finger-Schauen, was die FDP in einer Regierung treibt, will die neue Bundesvorsitzende Brandmann die Mutterpartei weiterentwickeln, moderner machen. Die Themen junger Menschen müssen in der FDP ausreichend Platz finden.

Brandmann erwartet zum Beispiel von einer neuen Regierung “eine Rentenreform, die sich gewaschen hat”. Und sie kündigt schon mal an: “Wir werden die FDP inhaltlich vor sich hertreiben” – wenn nötig. Man kann also in der Tat davon ausgehen, von ihr und den Jungen Liberalen bald wieder zu hören.