Offener Brief an Christian LINDNER: Kämpfen Sie mit uns für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre!

Bei der FDP und bei uns JuLis diskutieren viele junge Menschen über Wahlprogramme, verteilen in ihrer Freizeit Flyer, hängen nachts Plakate auf und stehen auf dem Markt am Infostand. Bei den entscheidenden Wahlen dürfen sie am Ende dann aber nicht für die Partei stimmen, für die sie wochenlang Wahlkampf gemacht haben. Denn sie sind noch keine 18 Jahre alt. Das finden wir nicht nachvollziehbar. Deshalb haben sich unsere jungen Mitglieder, die die FDP im Bundestagswahlkampf unterstützen werden, aber nicht mitstimmen dürfen, weil sie am Wahltag noch nicht 18 sind, einen offenen Brief an den FDP-Vorsitzenden Christian LINDNER geschrieben. Darin bitten sie ihn darum, ihnen bei ihrem Einsatz für ein Wahlrecht ab 16 zur Seite zu stehen.

Die Mitinitiatorin des Briefes, die 16-jähriges Lina WOLTERS, erklärt dazu:

„Wir junge Menschen wollen von der Politik endlich ernstgenommen werden. Bei der FDP diskutieren wir über Wahlprogramme, verteilen in unserer Freizeit Flyer und hängen Plakate auf. Dass wir bei den entscheidenden Wahlen am Ende dann nicht für die Partei stimmen dürfen, für die wir wochenlang Wahlkampf gemacht haben, ist nicht nachvollziehbar. Wir hoffen sehr, dass Christian Lindner uns bei unserem Anliegen unterstützt und die FDP den Antrag beschließt. Das wäre ein starkes Zeichen von der FDP, das zeigt, dass sie junge Menschen und ihre Anliegen ernst nimmt und ihnen etwas zutraut. Wir sind optimistisch, dass wir für die Freien Demokraten in Zukunft nicht nur Wahlkampf machen können, sondern die FDP und Christian Lindner auch wählen dürfen.“

Unser Bundesvorsitzender Jens TEUTRINE unterstützt die jungen Mitlgieder:

„Als Partei der Eigenverantwortung sollte man jungen Menschen eine Wahlentscheidung zutrauen. Es ist es wichtig, dass große politische Interesse junger Menschen zu nutzen, und sie möglichst früh in demokratische Prozesse einzubinden. Studien zeigen: Je häufiger man hintereinander wählen geht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dies auch weiter zu tun – Wählen verstetigt sich. Nutzen wir also das große politische Interesse junger Menschen und machen sie zu demokratischen Wiederholungstätern. Unsere Demokratie braucht frühe Partizipation.“

Hier findest Du den Brief im Original:

Lieber Christian Lindner,

2021 findet die nächste Bundestagswahl statt. Wir JuLis werden gerne für unsere Partei am Wahlkampfstand eintreten, uns am programmatischen Willensbildungsprozess beteiligen und etliche Zeitstunden unserer Freizeit für den Wahlkampf investieren. Aber wir JuLis unter 18 werden am Wahlsonntag dann nicht für die Inhalte, für die wir gekämpft haben, stimmen können. Denn zur Bundestagswahl ist man erst mit 18 Jahren wahlberechtigt.

Die aktuelle Shell-Jugendstudie hat gezeigt: Wir Jugendlichen sind so politisch interessiert wie nie zuvor und dazu gehören nicht nur diejenigen, die sich in Parteien engagieren, sondern auch die Jugendlichen, die bei Protesten zum Thema Black Lives Matter oder der EU-Urheberrechtsreform für die Rechte aller eingetreten sind. Dieses Potenzial verschenken wir, wenn wir jetzt nicht eine Stärkung der Demokratie wagen. Das Schlimmste, was uns gerade passieren könnte, ist, dass die jüngsten Generationen wieder politikverdrossener werden oder sich sogar von der Demokratie abwenden, weil sie kein Gehör finden. Es wäre auch im Sinne der Generationengerechtigkeit, hier anzusetzen und das durch den fortschreitenden demographischen Wandel bedingte Stimmgewicht auszugleichen.

Es wird jungen Menschen zugetraut, ihren Ausbildungsberuf zu wählen, ein Unternehmen zu gründen und über ihre Religion selbst zu entscheiden. Dabei setzen sich die Jugendlichen aktiv mit ihrer Zukunft auseinander. Diesen Weitblick erwartet man von jungen Menschen. Auch bei Wahlen werden zukunftsweisende Entscheidungen getroffen, die unser ganzes Leben, das wir noch vor uns haben, gravierend und irreversibel verändern können. Bei Zukunftsthemen wie Klimaschutz, Rente und Bildung gibt es dringenden Handlungsbedarf. Es ist nicht fair, dass diejenigen, die die Konsequenzen der politischen Entscheidungen von heute tragen müssen, nicht mitreden dürfen. Dabei übernehmen viele junge Menschen Verantwortung für sich und andere. Viele 16- bis 18-Jährige sind in Parteien oder Organisationen engagiert, zahlen schon Steuern und nehmen am öffentlichen Leben teil. Bei Kommunalwahlen und manchen Landtagswahlen dürfen wir sogar schon mitwählen.

Eine Absenkung des Wahlalters zur Bundestagswahl auf 16 Jahre wäre ein Zeichen der Wertschätzung, des Respektes und des Ernstnehmens junger Menschen. Wir bitten Sie daher darum: Trauen Sie es uns zu, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, und kämpfen Sie mit uns für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei bundesweiten Wahlen! Dann sind wir im kommenden Jahr nicht nur engagierte Wahlkämpfer, sondern auch verantwortungsbewusste Wählerinnen und Wähler.

Mit freundlichen Grüßen

  • Lina Wolters
  • Ben Jagasia
  • Annabell Krohn
  • Jan Lieder
  • Alea Gerardi
  • Lucius Köpstein
  • Iwan Krivov
  • Tim Städtler
  • Nico Grambeck
  • Darius Grundmann
  • Leon Ruf
  • Felix Jühe
  • Mika Koll
  • Elias Zepf
  • Jannis König
  • Marc Gevers
  • Philipp Beckhove
  • Oliver Rausch
  • Felix Pater

Hier findest Du die Antwort von Christian Lindner:

Liebe JuLis,

Euren Brief habe ich erhalten. Er ist für mich ein Anlass, Euch wie schon auf dem jüngsten BuKo erneut für Euer Engagement zu danken. Ich begrüße innovative Vorschläge zur Weiterentwicklung unseres Programms.

Mit der Frage des Wahlrechts ab 16 nehmt Ihr eine wichtige gesellschaftspolitische Debatte wieder auf. Dabei geht es ja nicht nur um die Stimmabgabe, sondern ganz prinzipiell um die Frage, wie wir Fairness zwischen den Generationen schaffen und wie wir Zukunftsthemen in der Tagespolitik verankern. Beispielsweise die Schuldenbremse im Grundgesetz dient auch diesem Zweck. Heute werden vielen politische Entscheidungen getroffen, sei es bei der Umwelt- oder der Rentenpolitik, deren volle Auswirkungen sich erst in Jahrzehnten zeigen werden.

Unsere Verfassung ist nicht in Stein gemeißelt, sondern offen für gesellschaftlichen Wandel – so wie 1970 das Wahlalter von 21 auf 18 herabgesetzt wurde, kann es Ausdruck einer veränderten gesellschaftlichen Situation sein, das Wahlalter auf Bundesebene von 18 auf 16 zu senken.

Aus meinen zahlreichen Diskussionen mit jungen Menschen unter 18 weiß ich zum einen, wie groß bei vielen das politische Interesse ist. Jugendliche sollten die Sicherheit haben, dass auch ihre Belange einen Einfluss auf die Politik haben. Eine Absenkung des Wahlalters auf 16 könnte deswegen die demokratische Legitimation politischer Entscheidung stärken und außerdem die junge Generation stärker für unsere Demokratie begeistern.

Zum anderen können wir auch nicht die Augen davor verschließen, dass in unserer Rechtsordnung ein Zusammenhang zwischen Rechten und Pflichten besteht. Diese sind in vielen Fällen an die Erreichung der Volljährigkeit geknüpft. Viele unserer Rechtsexpertinnen und -experten haben sich daher bisher skeptisch gezeigt.

Ich kann also die Argumentation beider Seiten gut nachvollziehen. Und für die Freie Demokraten wäre der Wahlkampf um die 16- bis 18-Jährigen besonders motivierend – so konnten wir etwa bei der gestrigen Kommunalwahl in Nordrhein-

Westfalen unsere besten (und deutlich überdurchschnittlichen) Ergebnisse bei den Jungwählern erzielen. Parteipolitische Interessen sollten bei einer Debatte über das Wahlrecht allerdings keine Rolle spielen.

Jedenfalls muss die Gesamtpartei über diese Grundsatzfrage entscheiden. Deswegen bin ich auf eine mögliche Beratung auf dem kommenden oder einem der nächsten Bundesparteitage gespannt. Und ich selbst bin in der Sache nicht festgelegt, sondern würde mich gerne nach einer offenen Debatte von einer der beiden Positionen überzeugen lassen. Nur zu also!

Mit besten Grüßen

Christian Lindner