Gastbeitrag in der WELT: Mit 16 den Bundestag wählen? Das ist gut für die Demokratie

Auf dem FDP-Bundesparteitag am 19. September 2020 haben die Jungen Liberalen einen Antrag gestellt, dass Wahlalter 16 bei bundesweiten Wahlen zur Beschlusslage der FDP zu machen. Unser 16-jähriges Mitglied Lina WOLTERS hat in ihrem Gatsbeitrag in der WELT erläutert, warum eine Absenkung des Wahlalters unserer Demokratie nicht schaden, sondern nur guttun kann. Du findest den Gastbeitrag auch hier.

Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Wie bei der Europawahl 2019 oder Kommunalwahl 2020 werde ich in meiner Heimatstadt wieder wahlkämpfen. Ich werde über das Wahlprogramm diskutieren, auf Social Media den Wahlkampf mitgestalten, nachts Plakate aufhängen, sonntags flyern und auf dem Markt am Infostand stehen. Aber ich werde am Wahltag nicht meine Stimme für die Partei abgeben können, für die ich seit Wochen Wahlkampf gemacht habe. Denn zur Bundestagswahl im kommenden Jahr bin ich erst 17 Jahre alt.

Meine Generation ist so politisiert und informiert wie nie zuvor. Protestbewegungen wie Fridays for Future, Black Lives Matter oder gegen den Artikel 13 sind ein Zeichen dafür, wie schnell und schlagkräftig sich junge Menschen organisieren können und sich und andere für politische Themen sensibilisieren. Trotzdem traut uns die Politik nicht zu, eine überlegte und verantwortungsbewusste Wahlentscheidung zu treffen.

Abgesehen davon, dass die Wahlentscheidung eines 40-Jährigen niemals hinsichtlich Informiertheit und Verantwortungsbewusstsein hinterfragt wird, übernehmen junge Menschen in vielen Bereichen Verantwortung: Sie führen ein Ehrenamt aus, sind Jugendtrainer, engagieren sich in der Schülervertretung ihrer Schule und zahlen als Auszubildende oder im Nebenjob Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung. Jugendliche prägen aktiv das Miteinander und unsere Gesellschaft. Sie treffen für sich und andere wichtige Entscheidungen. Dass junge Menschen diese Verantwortung tragen und sich mit ihrer Zukunft auseinandersetzen, wird von ihnen erwartet.

Die Politik setzt sich bisher aber wenig mit jungen Menschen auseinander – sie sind halt (noch) nicht wahlentscheidend. Ein nicht zukunftsfähiges Rentenpaket von Olaf Scholz, fehlende Investitionen in die Bildung und Planlosigkeit bei der Klimakrise. Das sind die Antworten der Bundesregierung auf die Zukunftsfragen unserer Generation. Man merkt eindeutig, dass die größte Wählergruppe unsere Großeltern sind und damit auch die meisten potenziellen Wähler für die Parteien. Wenn junge Menschen an den Wahlurnen mitentscheiden dürften, würden sich unsere Bundesminister in Zukunft zweimal überlegen, ob sie wieder vor der Wahl eine Rentenerhöhung auf Kosten kommender Generationen beschließen.

In jedem Fall steht fest: Unsere Demokratie wird eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre überleben. Wahrscheinlich wird es ihr sogar guttun: Bei der Junior-EU-Wahl haben die Jugendlichen so demokratisch gestimmt wie kaum eine andere Wählergruppe. Die Parteien an den Rändern des politischen Spektrums hatten weit weniger Prozentpunkte als bei den tatsächlichen Wahlen. Studien zeigen, dass junge Menschen weniger politikverdrossen sind, wenn sie schon mit 16 statt erst mit 18 Jahren zum ersten Mal wählen dürfen.

Ich vermute, ich bin politisch interessierter, engagierter und informierter als ein Großteil der Wählerinnen und Wähler. Da ist es besonders frustrierend, wenn mir dann bei den Wahlen die Tür vor der Nase zugeknallt wird. Lasst die jungen Menschen wählen! Es wird niemandem schaden, sondern genauso sein wie bei allen anderen Altersgruppen auch: Einige sind gut informiert, andere weniger. Manche entscheiden rational, andere emotional. Ein Teil wird von seiner Stimme Gebrauch machen, ein Teil nicht. Und letztlich gilt in einer Demokratie: Eine Wahlentscheidung kann immer nur individuell getroffen werden und dadurch nicht richtig oder falsch sein.