SCHRÖDER-Interview mit der WELT: „Wir sehen einen Reformbedarf, weil wir Unterhaltung nicht als Aufgabe des ÖRR verstehen.“

Im Interview mit der WELT erklärt unsere Bundesvorsitzende Ria, welche Reformen wir uns bei öffentlich-rechtlichen Rundfunk wünschen. Du findest es im Original hier.

Die Fragen stelle Geli Tangermann.

Frage: Frau Schröder, Redakteurinnen des NDR kritisieren in der Sendung „Panorama“ einen Bundeswehroffizier, weil er in einem sozialen Netzwerk einzelne Bilder mit Herzchen markierte, die womöglich ein Rechtsradikaler dort hochgeladen hat. Über die Seriosität des Beitrags wird im Nachgang kontrovers diskutiert. Wie haben Sie die Debatte wahrgenommen?

Ria Schröder: Sie hat eindrücklich gezeigt, dass Social Media längst Sphäre des öffentlichen Diskurses ist und man für sein Handeln dort zur Verantwortung gezogen werden kann. Der „Panorama“-Beitrag, in dem eine „Expertin“, die offen mit linksextremen Gruppen sympathisiert, herangezogen wurde, war keine journalistische Meisterleistung, hat den Fokus aber auf das hochproblematische Thema Rechtsextremismus in der Bundeswehr gerichtet. Nun muss das Verteidigungsministerium die Vorwürfe prüfen.

Frage: Sie sind eine der schärfsten Kritikerinnen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR). Warum?

Ria Schröder: Wir sehen einen Reformbedarf, weil wir Unterhaltung nicht als Aufgabe des ÖRR verstehen. Wir sind zwar der Überzeugung, dass der ÖRR eine wichtige Rolle in der Demokratie einnimmt und wollen nur das Beste für ihn. Gleichzeitig haben wir den Eindruck, dass er an vielen Stellen deutlich besser sein könnte. Ich bin grundsätzlich also ein Fan des ÖRR, sofern er sich an seine selbst auferlegten Verpflichtungen hält und neutral berichtet. Und genau das ist der Knackpunkt.

Frage: Inwiefern?

Ria Schröder: Es gibt immer mal wieder Beiträge, bei denen ich mit dem Kopf schütteln muss. Zum Beispiel bei vielen Kommentaren. Natürlich dürfen diese politisch auch mal etwas gefärbter sein, aber wenn Redakteure zur Bekämpfung des Klimawandels Verbote einfordern und behaupten, Menschen könnten nicht selbst entscheiden, dann finde ich das sehr befremdlich. Da wird ein ganz bestimmtes antiliberales Weltbild transportiert, das sich in diversen Beiträgen immer wiederfindet. Da frage ich mich doch: Gibt es eine Agenda beim ÖRR?

Frage: Und?

Ria Schröder: Ich wünsche mir mehr Meinungsvielfalt und einen reflektierteren Umgang mit Kritik von außen. Ich finde, dass der ÖRR sich nicht besonders kritikfähig präsentiert. Dabei sollte er sich doch gerade immer wieder selbst hinterfragen: Sind wir wirklich so neutral, wie wir es sein wollen? Diesen Selbstanspruch sollte der ÖRR konsequent verfolgen. Gleichzeitig bedeutet Neutralität nicht, dass man auf Einordnung verzichtet – so, wie es der RBB in einem Interview mit dem Rechtsradikalen Andreas Kalbitz getan hat.

Frage: Was genau hat Sie gestört?

Ria Schröder: Er wurde munter zur Maskenpflicht befragt, ohne dass auf seinen rechtsradikalen Hintergrund eingegangen wurde. Es ist für mich eine mangelhafte journalistische Leistung, wenn man Demokratiegefährder nicht als solche vorstellt. Derartige Beiträge, die aus Gebühren finanziert sind, bleiben hinter dem eigenen Anspruch des ÖRR weit zurück. Gleichzeitig war ich zu Beginn der Corona-Pandemie auch sehr froh, dass wir den ÖRR haben, weil er in dieser heiklen Phase viele hervorragende Beiträge wie den Podcast mit dem Virologen Christian Drosten gebracht hat. Aber es gibt eben auch viele Beiträge, die verzichtbar sind. Und da lege ich den Finger gern in die Wunde – denn der größte Teil der Rundfunkgebühren fließt in Produktionen, die zur Meinungsbildung der Menschen überhaupt nichts beitragen. Wie zum Beispiel der ZDF-„Fernsehgarten“ oder das „Traumschiff“. Da rollen sich mir wirklich die Fußnägel hoch. Wo ist da der Mehrwert für unsere Demokratie?

Frage: Was schlagen Sie vor?

Ria Schröder: Man müsste diesen gesamten Unterhaltungsteil des ÖRR auslagern. Man könnte die guten, informativen Formate in einem Sender bündeln. Und den Rest im ZDF zusammenfassen und privatisieren. Ich habe das Gefühl, dass sich kaum einer mehr fragt, wofür das Geld, das ja auch von Rentnern und Auszubildenden kommt, ausgegeben wird. Dabei sind die Beiträge viel zu hoch. Für investigativen Journalismus zahle ich gern. Für den „Musikantenstadl“ hingegen gar nicht.

Frage: Wie viel ist Ihnen der ÖRR wert?

Ria Schröder: Klar ist: Der Beitrag muss sinken, und dafür muss er auf den Prüfstand. Im Zuge dessen sollte auch über eine soziale Staffelung nachgedacht werden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Student genauso viel zahlt wie die Ärztin. Wir haben in unserem Steuersystem eine progressive Staffelung, während der soziale Hintergrund beim Rundfunkbeitrag überhaupt keine Rolle spielt. Das muss sich ändern.

Frage: Kommen wir zu einem anderen Bereich mit Änderungsbedarf: Drei Viertel der FDP-Mitglieder sind Männer. Sie als junge Politikerin sind trotzdem gegen eine Frauenquote, die ja in der CDU kommen soll. Warum?

Ria Schröder: Zunächst möchte ich betonen, dass sich tatsächlich dringend etwas ändern muss. Ich bin immer wieder frustriert darüber, wie wenig sich beim Frauenanteil tut. Wir haben in der FDP eine Zielvereinbarung getroffen, die zum Beispiel den Anteil an Frauen in den Vorständen erhöhen soll. Dass noch immer sehr viel mehr Männer als Frauen der FDP beitreten, können wir aber nur schwer beeinflussen. Ich möchte alle Frauen herzlich einladen, diesen Schritt zu tun. Die Frauenquote sehe ich kritisch, denn Frauen sind keine Menschen zweiter Klasse, die nur wegen ihres Geschlechts für einen Posten infrage kommen. Frauen sollten gewählt werden, weil sie qualifiziert sind.

Frage: Warum ist die FDP für Frauen so unattraktiv?

Ria Schröder: Probleme mit verkrusteten Strukturen und familienunfreundlichen Veranstaltungen hat nicht nur die FDP. Ich denke aber, dass sich durch Corona viel getan hat. Viele Sitzungen können von zu Hause aus verfolgt werden – ich selbst gehe viel lieber zu Parteiveranstaltungen, wenn ich das von zu Hause aus machen kann. Ich kann nebenbei etwas essen, die politische Arbeit ist besser mit meinem Job vereinbar. Für Familien ist das alles besonders wichtig.

Frage: Also musste erst eine Pandemie kommen, um die Frauenproblematik der FDP zu lindern?

Ria Schröder: Ich wehre mich gegen den Begriff Frauenproblem. Frauen sind kein Problem, sondern sie sind eine große Bereicherung. Aber klar: Die Pandemie hat die Digitalisierung befeuert und etwa das Homeoffice zur Normalität gemacht. Ich hoffe, dass wir die digitale Parteiarbeit beibehalten. Trotzdem bleibt der geringe Frauenanteil in der Partei ein Dauerthema, und die Veränderungen kommen sehr langsam. Für jeden Funktionsträger und jede Funktionsträgerin der Partei muss das eine Daueraufgabe sein. Gerade weil wir eben keine Quote wollen, müssen wir besonders hart arbeiten, um für Frauen attraktiver zu werden.

Frage: Das wird seit Jahren gemacht. Geändert hat sich wenig.

Ria Schröder: Das sehe ich anders. Zumindest in der FDP wird viel dafür getan, die Vielfalt in der Partei zu stärken. Es gibt eine eigene Arbeitsgruppe, die sich regelmäßig trifft und Konzepte entwickelt, wie wir für Frauen und andere unterrepräsentierte Gruppen attraktiver werden. Es gibt viele Faktoren, die dazu führen, dass Menschen in Parteien eintreten. Eine Quote hätte mich und viele anderen junge Frauen in der FDP aber eher abgeschreckt. Als Partei wollen wir das Aufstiegsversprechen in der Gesellschaft erneuern. Aufstiegsmöglichkeiten muss es aber auch für jede und jeden in der eigenen Partei geben. Diese Chancen dürfen nicht durch das Geschlecht, aber auch nicht durch Sitzfleisch bei Stammtischen und eine möglichst lange Parteizugehörigkeit determiniert werden. Wir müssen Frauen das Gefühl geben: Hier bin ich richtig, und das ist nicht nur so ein Männerverein.

Frage: Neben Ihnen gibt es höchstens eine Handvoll sichtbarer Frauen bei den Liberalen.

Ria Schröder: Es ist leider so, dass die meisten Menschen sogar nur zwei FDP-Politiker kennen, Christian Lindner und Wolfgang Kubicki. Das ist mir persönlich ganz klar zu wenig. Es gibt aber auch herausragende Frauen, wie zum Beispiel die Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die dadurch auffällt, dass sie eine starke Meinung vertritt. Für mich ist sie ein Vorbild, weil sie einen klaren Kompass und Mut zur Kontroverse hat. Ich denke, dass Frauen in der Politik noch immer mehr Skrupel haben, auch mal etwas zu sagen, was andere verärgert.

Frage: Ausgerechnet die mächtigste FDP-Frau, Generalsekretärin Linda Teuteberg, steht intern stark in der Kritik. Zu Recht?

Ria Schröder: Linda Teuteberg denkt lange nach, bevor sie Dinge sagt, und haut nicht mal eben einen Spruch raus. Das schätze ich, es führt aber manchmal auch zu verpassten Chancen. Ich wünsche mir, dass sie noch öfter die FDP mit starken Positionen vertritt.

Frage: Sollte sie die FDP als Generalsekretärin in den Bundestagswahlkampf führen?

Ria Schröder: Da maße ich mir keine Empfehlung an. Es ist eine Entscheidung, die die Führungsspitze treffen muss. Ich finde, wenn Christian Lindner will, dass Linda Teuteberg das weitermacht, muss er sich jetzt klar hinter sie stellen. Und wenn nicht, muss er ihr das mitteilen. Wir haben bis zur Bundestagswahl noch viel zu tun. Da kommen wir nur geschlossen als Team wieder raus.