SCHRÖDER-Interview mit dem stern: Kann Kemmerich Ministerpräsident bleiben? „Nein“

Im Interview mit dem stern hat sich unsere Bundesvorsitzende Ria zur Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten geäußert und ihn zum Rücktritt aufgefordert, da die Wahl nur durch die Stimmen der AfD möglich war. Du findest es im Original hier.

Die Fragen stellte Daniel Wüstenberg.

Frage: Frau Schröder, wie war Ihre Reaktion, als von der Wahl Ihres Parteikollegen Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen und den Umständen dieser Wahl erfahren haben?

Ria Schröder: Das ist ein unfassbarer Vorgang, damit hat niemand gerechnet, auch ich nicht. Dass sich ein FDP-Ministerpräsident von der AfD wählen lässt, ist nicht hinnehmbar.

Frage: Als Thomas Kemmerich gefragt wurde, ob er die Wahl annehme und mit „Ja“ geantwortet hat, hätten Sie also eine andere Antwort erwartet?

Ria Schröder: Ich nehme ihm ab, dass er tatsächlich die Hoffnung hatte, zusammen mit den Grünen, der SPD und der CDU eine Regierung der Mitte zu bilden, ohne Linke und AfD. Mittlerweile ist deutlich geworden, dass dies nicht der Fall sein wird. 

Frage: Dann noch einmal direkt gefragt: Kann Thomas Kemmerich Ministerpräsident bleiben?

Ria Schröder: Nein. Es muss Neuwahlen geben.

Frage: Wie konnte die Fehleinschätzung in Thüringen entstehen? War das der Plan der AfD?

Ria Schröder: Dass die AfD nicht einmal ihren eigenen Kandidaten, sondern einen ihrer Gegner wählt, entzaubert die Partei noch mehr. Es zeigt, wie sehr die AfD darauf hofft, die CDU und die FDP vor ihren Karren zu spannen – das finde ich dramatisch. Aber noch einmal: Es gibt keine Zusammenarbeit zwischen der FDP und der AfD. Die hat es nicht gegeben und die wird es auch nicht geben. Wir, die Freien Demokraten und die Jungen Liberalen, wollen das Gegenteil der AfD: Wir sind eine weltoffene, eine liberale Partei. Dass nun ein Zusammenhang zwischen uns und der AfD konstruiert wird, schmerzt mich. Man kann sich nicht aussuchen, wer einen wählt, aber man kann die Konsequenzen daraus ziehen, wenn klar wird, dass man gegen das Lager der AfD keine Regierung bilden kann.

Frage: Über all dies hätten Sie sich doch auch vor der Wahl schon Gedanken machen können …

Ria Schröder: CDU und FDP wollten keinen Ministerpräsidenten der Linken haben, sodass ein anderer Kandidat aufgestellt werden musste. Die Hoffnung war, dass er irgendwie ohne die Stimmen der AfD durchkommt. Manche würden das als naiv bezeichnen, andere als mutig. Und nun haben wir erleben müssen, dass es in Thüringen nicht möglich ist, eine Regierung der Mitte zu bilden.

Frage: Ist die Verweigerungshaltung der FDP gegenüber der Linkspartei vor diesem Hintergrund überhaupt noch zeitgemäß, wenn die Alternative bedeutet, dass die AfD den Ministerpräsidenten mitwählt?

Ria Schröder: Ich halte es weiterhin für wichtig, die Grenzen nicht zu verschieben. Wir können mit der Linken nicht koalieren. Gerade in Thüringen hat die Partei starke Verstrickungen mit der früheren SED; der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow weigert sich, die DDR als Unrechtsstaat anzuerkennen. Die Linkspartei ist für uns kein möglicher Partner, ebenso wenig wie die AfD. Die Grundüberzeugungen sind vollkommen verschieden.

Frage: Dennoch wird von diesem Tag etwas an der FDP hängenbleiben. Was bedeutet das für Ihre Partei?

Ria Schröder: Dass die AfD jemanden zum Ministerpräsidenten gemacht hat, der diese Partei ablehnt, ist eigentlich deren Fehler. Da redet kaum jemand drüber, weil jedem klar ist, dass die Höcke-AfD in Thüringen ohnehin jenseits von Gut und Böse ist.

Frage: Die Frage zielte auf die Folgen für die FDP ab …

Ria Schröder: Thomas Kemmerich hat etwas riskiert und es ist nicht gut ausgegangen. Das passiert. Was aber weiterhin völlig klar sein muss: Eine Zusammenarbeit mit der AfD möchte niemand. Das ist jetzt innerhalb der FDP noch deutlicher geworden und das werden wird noch klarer nach außen tragen. Wir müssen uns allerdings in der Partei darüber Gedanken machen, ob es legitim ist, für einen höheren Zweck – nämlich eine Regierung ohne die Linken zu bilden – die Stimmen der AfD zu verwenden. Dazu gehen die Meinungen auseinander, das müssen wir diskutieren. Auch ich mache mir Gedanken dazu.

Frage: Sie kandidieren für die Bürgerschaftswahl in Hamburg am 23. Februar. Der Wahlkampf wird für Sie durch die Ereignisse von Erfurt nicht einfacher …

Ria Schröder: Absolut nicht. Wir haben hier aber eine wesentlich angenehmere Situation. Die AfD ist hier bei weitem nicht so stark wie in Thüringen, und wird wahrscheinlich bei unter zehn Prozent landen. Wir sollten uns hier unter den demokratischen Parteien einig sein, dass wir niemals in eine Situation wie in Thüringen kommen wollen. Wir werden zeigen: Das wird es hier nicht geben.