SCHRÖDER-Interview mit der WELT: „Das ZDF sollte privatisiert werden“

Im Interview mit der WELT hat unsere Bundesvorsitzende Ria Schröder, gefordert, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verschlanken und die Gebühren abzuschaffen. Du findest es im Orginal hier.

Die Fragen stellte Geli Tangermann.

Frage: Frau Schröder, am 6. Januar steht das Dreikönigstreffen in Stuttgart an – der Auftakt der Liberalen für das politische Jahr 2020. Womit wird sich die FDP ins Gespräch bringen?

Ria Schröder: Ich denke, dass sich neben den Jungen Liberalen auch die FDP stärker mit einer zentralen Frage beschäftigen wird: Wie schaffen wir es, Menschen Aufstiegschancen zu eröffnen? Wir wollen das Aufstiegsversprechen wieder mit Leben füllen – während andere Parteien dieses Thema sträflich vernachlässigen. Dabei haben wir zum Beispiel den jungen Migranten im Auge, der nicht den Laden seines Vaters übernehmen, sondern etwas Eigenes aufbauen will. Oder jemanden, der aus einer Hartz-IV-Familie kommt und sagt: Ich will es mal besser haben. Mit diesen Menschen beschäftigt sich aktuell keine Partei in Deutschland ausreichend.

Frage: Bisher waren diese Menschen eher Zielgruppe der SPD.

Ria Schröder: Früher vielleicht mal, ja. Aber die SPD ist meiner Wahrnehmung nach leider nur noch damit beschäftigt, den Status quo zu verteidigen. Da wird vielleicht darüber gesprochen, wie Hartz IV verbessert werden kann oder wie man mehr Arbeitslosengeld bekommt. Aber sie bietet keine Antworten an, wie man aus der Arbeitslosigkeit wieder herauskommt, wie man aufsteigt. Die SPD hat sich gewandelt. Sie steht nicht mehr für diejenigen, die durch eigene Leistung aufsteigen wollen. Sondern eher für diejenigen, die in einer unguten Situation verharren.

Frage: Der Comedian Ingo Appelt, selbst SPD-Mitglied, sagte neulich im WELT-Interview: Kein Arbeiter würde Christian Lindner wählen.

Ria Schröder: Da hat Ingo Appelt unrecht. Den Arbeiter, den er beschwört, gibt es doch in dieser Form heute kaum noch, die vermeintliche Arbeiterschaft ist heute viel diverser.

Frage: Will die FDP die Rolle der SPD einnehmen?

Ria Schröder: Das würde ich so nicht sagen. Vielmehr sind Bildungschancen und das Aufstiegsversprechen schon immer Kernanliegen der FDP. Und ich glaube, die FDP wäre nicht auf dem richtigen Weg, wenn sie durchs Fischen bei anderen versucht, an Stimmen zu kommen. Sie darf nicht beliebig sein und ist es auch nicht. Sondern sie muss Profilschärfung betreiben und besser kommunizieren. Wir haben das beim Thema Klimaschutz gesehen: Eigentlich ist die FDP die Partei, die die effektivsten Instrumente gegen den Klimawandel vorschlägt. Das kam aber nicht rüber.

Frage: Warum nicht?

Ria Schröder: Die Parteiführung war zu zögerlich und hatte zu viel Angst davor, einem vermeintlich grünen Thema zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Das können wir uns nicht erlauben. Es muss darum gehen, eigene, klare Akzente zu setzen und entsprechend zu kommunizieren.

Frage: Vor dem vorigen Dreikönigstreffen haben Sie die Abkehr von der „One-Man-Show“ Christian Lindners gefordert. Wurde diese Forderung erfüllt?

Ria Schröder: Das habe ich nicht, auch wenn mir das gerne in den Mund gelegt wird. Ich habe herausgestellt, dass die FDP eine ganze Reihe an sehr guten Fachpolitikern hat. Wenn man sich aber anschaut, wen die Menschen kennen aus der FDP, dann sind es doch nur wieder Christian Lindner und Wolfgang Kubicki.

Frage: Woran liegt es denn, dass noch immer, wie Sie sagen, nur diese zwei Gesichter für die FDP stehen?

Ria Schröder: Wenn man sich die demokratischen Parteien anschaut, dann sieht man, dass die FDP die einzige Partei ist, bei der Fraktion und Partei von einer einzigen Person geführt werden. Selbst die Kanzlerin hat den CDU-Vorsitz abgegeben, was lange undenkbar gewesen wäre. Bei uns liegt beides in der Hand von Christian Lindner. Das könnte ein Grund dafür sein, dass aus der FDP nur wenige andere wahrgenommen werden, und wir sollten darüber diskutieren.

Frage: Also sollte Christian Lindner eines der Ämter abtreten?

Ria Schröder: Die Partei ist in einem stetigen Prozess der Erneuerung. Und dabei sollte sich die FDP auch offen fragen, wie sie auf struktureller Ebene für eine stärkere Wahrnehmbarkeit sorgen kann.

Frage: Das beantwortet die Frage nicht.

Ria Schröder: Ich möchte das nicht an der Person Christian Lindner festmachen. Ich schätze und respektiere ihn sehr. Aber er trägt natürlich dadurch, dass er so sehr im Rampenlicht steht, auch eine enorme Verantwortung. Und es tut einer Partei gut, wenn sie ihre innerparteiliche Vielfalt nach außen repräsentiert. Wir sind eine Partei der Meinungsvielfalt, haben eine Vielfalt der Tonalitäten und Mentalitäten. Und gerade für eine so pluralistische Partei wie die FDP stellt sich doch die Frage: Passt diese Personalunion noch? Ich möchte das aber nicht als Angriff auf Christian Lindner verstanden wissen, er macht vieles richtig und ist jemand, der auch in der Lage ist, sich zu verändern.

Frage: Haben Sie ein Beispiel?

Ria Schröder: Nehmen wir das Thema Frauen: Vor einem Jahr haben wir noch sehr viel darüber gesprochen, was in diesem Bereich bei uns Liberalen schiefläuft. Dann kam das Dreikönigstreffen, und Lindner hat viele Themen, die ganz besonders Frauen betreffen, stark in der Vordergrund gestellt, etwa die Streichung von Paragraf 219a, gleiche Bezahlung für gleiche Leistung und Reproduktionsmedizin. Beim Parteitag im April haben wir dann ein sehr umfassendes Papier zum Thema Frauenpolitik besprochen. Da hätten viele vor zwei Jahren noch gesagt: Ach, der Lindner, der interessiert sich doch gar nicht für Frauenthemen.

Frage: Ein zentrales Thema der Julis ist die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Jüngst verglichen Sie ihn auf Twitter mit Netflix. Ergebnis: fünf Punkte für Netflix, nur zwei für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Was wollten Sie damit zum Ausdruck bringen?

Ria Schröder: Viele junge Leute bezahlen monatlich zwei Beträge: einen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und einen für Netflix. Mit dem Unterschied, dass der geringere Beitrag für Netflix freiwillig gezahlt wird. Und Netflix nutzen sie dann vielleicht jeden oder jeden zweiten Tag, bekommen Unterhaltung, Dokumentationen und Reportagen. Einen Fernseher aber haben diese jungen Menschen zum Teil gar nicht. Da ist es doch schwer zu vermitteln, warum ein junger Mensch hohe Rundfunkgebühren zahlen muss. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist aufgebläht und zu teuer. Er braucht dringend eine Reform. Dabei gehören die Gebühren weitestgehend abgeschafft.

Frage: Sie gehen noch einen Schritt weiter, fordern die Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ist er als Grundversorger mit Informationen aus Ihrer Sicht wirklich durch Netflix ersetzbar?

Ria Schröder: Man muss differenzieren: Wenn es um Bildung und Nachrichten geht, sind wir für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da wollen wir, dass er noch besser wird. Dass zum Beispiel mehr Geld für investigativen Journalismus oder Auslandsberichterstattung ausgegeben wird. Wir wollen eine echte Reform. In diesem Zuge sollten wir auch die Zusammensetzung der Rundfunkräte besprechen. Die müssen maximal neutral sein – das ist besonders in Zeiten eines stärker werdenden Populismus wichtig. Aber wenn man sich die Rundfunkräte anschaut, stellt man fest, dass da viele Regierungsvertreter drinsitzen. Außerdem sind es ganz überwiegend Leute, die fast schon im Rentenalter sind. Beim ZDF-Fernsehrat etwa gibt es zwei Mitglieder unter 40, dafür fünf über 70 und sogar einen über 80. Da muss sich das ZDF die Frage gefallen lassen, ob es die Perspektive junger Menschen ausreichend berücksichtigt. Und Unterhaltung kann heute einfach über andere Kanäle deutlich besser abgedeckt werden. Aus diesem Bereich sollte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk vollständig zurückziehen. Helene Fischer und der „Fernsehgarten“ gehen meilenweit am eigentlichen Sinn und wichtigen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorbei. Und wir müssen uns deshalb fragen, ob all diese Sender noch notwendig sind. Ich glaube nicht.

Frage: Welche finden Sie verzichtbar?

Ria Schröder: Das ZDF zum Beispiel sollte privatisiert werden. Vieles, was dort gezeigt wird, ist nicht mehr zeitgemäß. Da werden zum Teil gebührenfinanziert völlig veraltete Rollenbilder vermittelt.

Frage: Wie sollen die journalistisch anspruchsvollen Beiträge finanziert werden, wenn Sie die Gebühren abschaffen wollen?

Ria Schröder: Man könnte sie aus Steuergeldern finanzieren. Dann müsste etwa jemand mit einem 450-Euro-Job, der von der Steuer ausgenommen ist, nichts bezahlen. Eine weitere Möglichkeit wäre ein deutlich geringerer Beitrag. Vor allem aber brauchen wir jetzt eine ernsthafte und ergebnisoffene Diskussion.

Frage: Zuletzt ein kleiner Ausblick: Über welches Thema sollten wir 2020 noch mehr reden?

Ria Schröder: Über das Thema Mieten in den Städten. Da wünsche ich mir neue Lösungen. Es wird viel darüber gesprochen, wem der Wohnraum gehört oder wie mehr Wohnungen gebaut werden können. Aber gerade in den Städten müssen wir dafür sorgen, dass durch eine starke Infrastruktur der Einzugsbereich, in dem wir wohnen wollen, wächst. Und wir müssen Lösungen entwickeln, die eine bessere Verteilung von Wohnungen ermöglichen. Wir haben viele junge Familien, die in zu kleinen Wohnungen leben, und gleichzeitig viele ältere Menschen, deren Kinder ausgezogen sind, die in zu großen wohnen. Da müssen wir über digitale Lösungen nachdenken.

Frage: Haben Sie da schon konkrete Ideen?

Ria Schröder: Der Bedarf müsste digital erfasst werden. Man könnte auch einen Algorithmus entwickeln, der die Verteilung erleichtert – Stichwort: Wohnungstausch. Ich würde mir wünschen, dass wir das als Thema in der Politik angehen und nicht immer nur mit Scheinlösungen aus der Vergangenheit argumentieren.