Ria in der „WELT“: Klimapolitik braucht mehr Marktwirtschaft

In der „WELT“ hat unsere Bundesvorsitzende Ria zusammen mit dem Vorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Karl-Heinz Paqué einen Gastbeitrag zur europäischen Klimapolitik geschrieben. Im Original findest Du ihn hier.

Greta ist zu einer Ikone der Klimarettung geworden. Und sie hat damit weltweit Schüler zum politischen Protest motiviert. Das ist gut so. Denn das Versagen der Politik ist eklatant. Es klafft eine riesige Lücke zwischen den Klimazielen, die mit großer Geste in Paris 2015 verabschiedet wurden, und den konkreten Schritten, diese auch zu erreichen.

Es mangelt dabei nicht an Moralpredigten, dass wir alle unseren Lebensstil ändern müssen – weg vom Auto zum Fahrrad, vom Fleisch zur Pflanzenkost, von der Plastiktüte zum Jutesack. Aber wie sich das konkret in der Klimabilanz niederschlägt, bleibt offen.

Die Zwischenbilanz 2019 für Deutschland ist jedenfalls niederschmetternd, trotz einer leichten Verbesserung in allerjüngster Zeit. Denn der Ausstoß von Treibhausgasen ist viel zu hoch, um die selbst gesetzten Ziele für 2020 und wohl auch für 2030 zu erreichen.

Dieser Ausstoß ist aber die zentrale strategische Stellschraube: Gelingt es selbst einer großen ökologiebewussten Nation wie Deutschland nicht, die vereinbarten Ziele zu erreichen, dann wäre es eine Illusion zu glauben, dass dies global zu schaffen wäre.

Klimaschutz politisieren statt privatisieren

Wie also retten wir das Klima? „Durch Innovation und Wettbewerb – und nicht durch Veränderung des individuellen Lebensstils“, schrieb jüngst der grüne Vordenker Ralf Fücks auf „Spiegel Online“. Er hat mit dieser liberalen Botschaft völlig recht: Wir müssen die Klimaziele unerbittlich ernst nehmen und das politische Handeln konsequent danach ausrichten. Fücks weiter: „Es ist grundverkehrt, die ökologische Frage zu privatisieren, statt sie zu politisieren.“

Lasst uns also politisieren! Alles entscheidend ist die Einhaltung des beschlossenen Klimaziels des Pariser Abkommens von 2015, das eine Begrenzung der Erderwärmung auf maximal zwei, besser noch 1,5 Grad Celsius vorsieht.

Dies muss insbesondere durch die Senkung des Ausstoßes von Treibhausgasen geschehen, allen voran CO2. Dafür brauchen wir klare Rahmenbedingungen. Der Gesetzgeber muss feste Grenzen für den Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen vorgeben – und darf mehr einfach nicht zulassen.

Der Weg dahin ist eigentlich altbekannt und hat einen Namen: Emissionszertifikatehandel. Jedes Unternehmen, das CO2 ausstößt, darf das nur tun, wenn es dafür in entsprechender Menge Emissionsrechte in Form von Zertifikaten erworben hat.

Wer mehr ausstößt, muss eben mehr bezahlen. Wer durch Innovationen Emissionen einspart, zahlt dagegen weniger. Die Zertifikate werden an einer Börse gehandelt und Jahr für Jahr vermindert.

Richtige Antwort auf Greta und die Proteste

So steigt der Preis über die Zeit, bei hohem Wirtschaftswachstum sogar drastisch. Dadurch gibt es einen starken wirtschaftlichen Anreiz, Emissionen einzusparen und durch Forschung und Entwicklung nach neuen Lösungen zu suchen.

Nur jene, die dies nicht oder nur zu extrem hohen Kosten können, werden als Käufer der Rechte übrig bleiben oder schließlich mit ihren (ökologisch fragwürdigen) Produkten ganz vom Markt verschwinden.

Im Ansatz ist dieser Weg bereits verwirklicht: im European Union Emissions Trading System, kurz EU-ETS. Aber eben leider nur im Ansatz. Die richtige Antwort auf Greta und die Proteste der Schülerinnen und Schüler ist die grundlegende Erneuerung und Ausweitung des EU-ETS. Es geht dabei im Wesentlichen um fünf Leitlinien der Reform:

  1. Alle Branchen der Wirtschaft, nicht nur wie bisher die Energiewirtschaft und Teile der Industrie, werden am EU-ETS beteiligt. Dies gilt vor allem für den Verkehr, die Gebäude- und Wärmewirtschaft sowie die Land- und Forstwirtschaft, denen ein großer Teil des CO2-Ausstoßes zuzurechnen ist.
  2. Nationale Alleingänge – wie in der deutschen Energiepolitik bisher üblich – gibt es nicht mehr. Bestmöglich wäre natürlich eine globale Lösung, aber auch eine konsequente Umsetzung in Europa könnte schon ein riesiger Fortschritt sein und zum weltweiten Vorbild werden.
  3. Die Einnahmen aus der Ausgabe von CO2-Emissionsrechten fließen nicht in den allgemeinen Haushalt, sondern werden entweder in die Forschung zu Klimatechnologien investiert und/oder den Bürgern über Steuersenkungen zurückgegeben.
  4. Die Forschungsförderung für neue Technologien wird drastisch erhöht und so gestaltet, dass sie möglichst technologieneutral wirkt, also den innovativen Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Lösungen der CO2-Vermeidung befördert.
  5. Die Forschung wird auf die Wiederverwendung sowie natürliche und biologische Speicherung von CO2 ausgeweitet. Auch Anpassungen an den Klimawandel, der ja in Grenzen unvermeidbar sein wird, werden verstärkt wissenschaftlich untersucht.

Klar ist: Selbst wenn diese Leitlinien akzeptiert sind, bleibt natürlich Spielraum für weitere Kontroversen. Welche Technologien sollen erforscht werden – bevorzugt solche wie etwa die Elektromobilität, bei denen schnelle Fortschritte zu erwarten sind, aber die dauerhafte Nachhaltigkeit infrage steht? Oder solche Technologien, die langfristige Erfolge versprechen könnten wie etwa der grüne Wasserstoff, aber noch weit von der Produktreife entfernt sind?

Über diese Fragen müssen wir dann eben in der Gesellschaft und im Parlament streiten – engagiert, hart und leidenschaftlich. Nicht mehr streiten sollten wir aber über die Grenzen für den CO2-Ausstoß und den Handel mit Emissionsrechten.

Die junge Generation fordert zu Recht eine nachhaltige Politik, in Klimaschutzfragen ebenso wie bei Bildung, Rente oder Staatsverschuldung. Nutzen wir den Impuls, den sie liefert – wie vor fünfzig Jahren nach der 1968er-Bewegung. Es ist Zeit zu handeln.