Schröder in der „Gießener Allgemeine“: „Frauenquote? Davon halte ich nichts“

Die Bundesvorsitzende der Jungen Liberale (JuLis), Ria Schröder, gab den „Gießener Allgemeine“ folgendes Interview. Die Fragen stellte Gerd Chmeliczek.

Frau Schröder, wie findet man als junger Mensch zur Politik und im Speziellen zu den Jungen Liberalen?

Ria Schröder: Immer dann, wenn man merkt, dass sich etwas in eine Richtung verändert, die man nicht gut findet oder wenn man das Gefühl hat, es müsste sich eigentlich etwas ändern, aber nichts passiert – dann sollte man als junger Mensch politisch aktiv werden. Ich fand das Programm der FDP schon immer ganz gut. Gerade das Menschenbild, das dahintersteht: Es basiert auf Freiheit, aber eben auch auf Eigenverantwortung. Allerdings hat die FDP vor 2013 dies für mich nicht richtig verkörpert.

Was hat sich danach für Sie geändert?

Schröder: Als die FDP den Einzug in den Bundestag verpasst hatte, war das für mich genau die richtige Zeit, mich in der Partei zu engagieren, damit sich dieses Menschenbild wieder mehr in der Partei und deren Politik widerspiegelt.

Sie sind Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, der Vorstand ist weiblicher als jemals zuvor. Was machen die Julis anders als die Mutterpartei, in der die Männer doch sehr stark dominieren?

Schröder: Ich habe das Thema schon in meiner Zeit als Vizevorsitzende forciert. Ich bin davon überzeugt, dass sich Frauen nicht weniger für Politik interessieren als Männer. Aber Parteien und auch Jugendorganisationen haben teilweise Strukturen, in denen es Frauen vielleicht weniger Spaß macht, sich zu engagieren. Bei den Jungen Liberalen haben wir Frauen angefangen, uns stärker zu vernetzen, wir veranstalten Treffen mit Seminaren, zu denen wir weibliche Vorbilder einladen. Das sind Sachen, die sehr viele Frauen motiviert haben, sich noch stärker einzubringen.

Und eine Quote in Partei und Wirtschaft?

Schröder: Davon halte ich nichts. Ich möchte nicht, dass Frauen sich dem Vorwurf stellen müssen, dass sie nur wegen ihres Geschlechts in eine entsprechende Position gekommen sind. Ich sehe auch, dass es in der Politik und in der Wirtschaft Missverhältnisse gibt. Und dagegen muss man auch angehen. Aber Quoten sind nicht der richtige Weg. Sie sind nicht nachhaltig und sie führen nicht dazu, dass eine andere Kultur Einzug hält, die auch Männer umdenken lässt. Überzeugungsarbeit zu leisten, ist anstrengender und langwieriger, aber auch fruchtbarer.

Eine Jugendorganisation legt auch immer wieder den Finger in die Wunden der Partei. Welche Wunden sind das bei der FDP?

Schröder: Wir wollen bei den Julis nicht nur als Besserwisser, sondern auch als Bessermacher auftreten. Wie zum Beispiel beim Thema Frauen in der Partei. Die FDP ist im jüngsten Bundestagswahlkampf mit einem starken Fokus auf Digitalisierung und Bildungspolitik angetreten. Das waren meiner Meinung nach genau die richtigen Themen zur richtigen Zeit. Aber ich erwarte dann auch mehr Initiativen dazu – auch von der Bundestagsfraktion. Die Debatte um die Abschaffung des Kooperationsverbots gehört sicherlich dazu, ist aber nicht der einzige wichtige Komplex.

Bleiben wir bei der Bildung. Im Moment wird wieder über den bundesweiten Lehrermangel diskutiert. Wie kann das Problem schnell gemildert werden?

Schröder: Es wäre beispielsweise möglich, dass sich Schulen verstärkt für Fachkräfte aus der Wirtschaft öffnen, die dann entsprechend in AGs oder Internet-Seminaren Wissen vermitteln, das aufgrund des Lehrermangels an den Einrichtungen fehlt. Den Lehrern könnte dann wieder eine stärkere pädagogische Rolle zukommen. Sie könnten Themen einordnen und mehr im didaktischen Bereich arbeiten. Das würde Entlastung bringen. Finanzielle Aspekte spielen natürlich auch eine Rolle. Wir können uns gut vorstellen, bundesweit die Verbeamtung von Lehrern abzuschaffen, damit man diejenigen, die besonders gute Leitungen bringen, auch besser entlohnen kann.

Und wenn die Schule vorbei ist, geht es mit einem verpflichtenden Dienstjahr weiter…

Schröder: Auch davon halte ich überhaupt nichts. Das Schöne am Bundesfreiwilligendienst und am freiwilligen sozialen Jahr ist ja gerade die Freiwilligkeit. Ich halte einen Zwang nicht für angemessen gegenüber den individuellen Lebensplänen, die auch junge Menschen schon haben. Zudem engagieren sich viele ohnehin schon in Vereinen, im sozialen Bereich, in der Flüchtlingshilfe. Die immer wieder geäußerten Vorwürfe an die junge Generation, sie engagiere sich zu wenig, stimmen so einfach nicht. Man sollte vielmehr die freiwilligen Angebote attraktiver gestalten. Zum Beispiel finanziell.

Zur Flüchtlingspolitik. Sie haben Ihren Parteivorsitzenden kritisiert, weil er sich Ihrer Meinung nach zu sehr an die CSU angebiedert habe. Sie kritisierten auch einen FDP-Entschließungsantrag im Bundestag, dass Schutzsuchenden, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind, künftig die Einreise verweigert werden soll. Fischt die FDP zu sehr am rechten Rand?

Schröder: Nein. Die FDP ist eine Partei der Mitte. Unsere Kritik richtete sich an einen Tweet von Christian Lindner, den wir als Ausrutscher verbuchen. Die FDP hat in der Flüchtlingspolitik eine sehr eigenständige Position und möchte auf eine europäische Lösung hinarbeiten. Im Moment haben wir das Dublin-System. Und solange das gilt, muss es angewendet werden, auch wenn wir es nicht fair finden und einen europäischen Verteilungsschlüssel fordern. Auf der anderen Seite dürfen wir die Menschlichkeit nicht aus den Augen verlieren. Es soll jedem der Zugang zu unserem Arbeitsmarkt nach den Regeln eines modernen Einwanderungsgesetzes offenstehen. Und diese Position ist weit entfernt von der menschenfeindlichen Position der CSU, die von einem Asyltourismus spricht. Das hat Christian Lindner nach meiner Kritik auch noch einige Male klargemacht. Von daher hat es sich gelohnt.

Welche persönlichen Ziele in der Politik verfolgen Sie?

Schröder: Ich möchte die liberale Stimme junger Menschen hörbar machen. Ich schließe nicht aus, das auch einmal in einem Landtag oder im Bundestag zu machen. Ich habe ja bereits bei der letzten Bundestagswahl kandidiert. In den Parlamenten kann man seine Themen am besten platzieren. Mir ist aber wichtig, zuerst mein Jura-Studium zu beenden. Ich habe das erste Staatsexamen gemacht und beginne im nächsten Jahr mit dem Referendariat. Unabhängigkeit ist wichtig, wenn man auch politisch unabhängig sein möchte. Aktuell widme ich mich aber meinem Amt bei den Jungen Liberalen.