Schröder im „Weser-Kurier“: „Wir werden nicht lockerlassen“

Die Bundesvorsitzende der Jungen Liberale (JuLis), Ria Schröder, gab dem „Weser-Kurier“ folgendes Interview zu Europa, Dienstpflicht und Frauen innerhalb der FDP. Man findet es im Original hier. Die Fragen stellten Ina Bullwinkel und Hans-Ulrich Brandt.

Frau Schröder, welches Thema bewegt die Jungen Liberalen derzeit am meisten?

Ria Schröder: Das Thema Europa. Wir haben nächstes Jahr eine Europawahl, das ist für uns als junge Generation ganz entscheidend, weil dort die Weichen für die Zukunft Europas gestellt werden. Wir als Liberale und Proeuropäer wollen, dass viele junge Leute zur Wahl gehen und den Rechtspopulisten, die in Europa immer stärker werden, ein klares Zeichen entgegensetzen.

Haben Sie Angst um die Zukunft Europas?

Schröder: Angst nicht. Ich sehe, dass von vielen Seiten die Freiheit, die wir im Moment genießen, bedroht wird. Der Brexit ist da ein gutes Beispiel. Junge Menschen haben gemerkt: Wenn sie nicht auf die Straße und zu den Wahlurnen gehen, dann bestimmen andere Menschen, in welche Richtung es geht. Und das bedeutet im Zweifel weniger Freiheit. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir junge Menschen dazu motivieren können, ihre Stimmen hörbar zu machen.

Trotzdem engagieren sich nicht mehr so viele junge Leute in der Politik. Woran liegt das?

Schröder: Ich nehme da einen gegenteiligen Trend wahr. Gerade solche unerwarteten Entscheidungen wie der Brexit oder auch die Wahl von Donald Trump in den USA führen dazu, dass junge Menschen politisch aktiv werden. Auch während der Flüchtlingskrise haben sich viele junge Menschen engagiert. Wir merken das auch an unseren eigenen Mitgliederzahlen. Das ist ein sehr positives Zeichen.

Sich politisch zu engagieren ist noch einmal etwas anderes, als dies in einer Partei zu tun. Was war bei Ihnen der Auslöser, in der FDP aktiv zu werden?

Schröder: Ich bin davon überzeugt, dass Parteien nach wie vor der beste Ort sind, um sich politisch Gehör zu verschaffen. Ich wollte nicht nur auf dem Sofa sitzen und sagen, was ich alles blöd finde, sondern mit Leuten diskutieren, die gleich gesinnt sind und vielleicht in Detailfragen eine andere Meinung haben.

Den Vorschlag von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, den Wehrdienst wieder einzuführen, lehnt Ihr Parteichef Christian Lindner strikt ab. Die Bremer FDP-Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner hält den Dienst hingegen für sinnvoll. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Schröder: Ich finde die Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht unanständig. Es ist ein völlig falsches Signal, wenn ältere Politiker eine Pflicht fordern, von der kein einziger von ihnen betroffen wäre. Und den Jüngeren vorzuwerfen, dass sie zu wenig für die Gesellschaft tun, ignoriert die Fakten. Fast die Hälfte der Jugendlichen engagiert sich ehrenamtlich. Es ist eine Anmaßung, ohne Not so stark in die Gestaltungsfreiheit und Lebenszeit junger Menschen einzugreifen.

Hätte Lencke Steiner sich besser mit der Parteispitze abstimmen müssen?

Schröder: Lencke Steiner ist Mitglied im Bundesvorstand der Freien Demokraten. Ich finde es völlig indiskutabel, dass sie sich in diesem Punkt komplett gegen die seit Langem bestehende Beschlusslage und die Haltung der Partei stellt. Von den Repräsentanten der FDP erwarten wir Jungen Liberalen, dass sie die Beschlüsse von Parteitagen ernst nehmen, statt vermeintlichen Stimmungen hinterherzulaufen.

Es hat 25 Jahre gedauert, bis es mit Ihnen wieder eine Juli-Vorsitzende gab. Warum fällt es den Liberalen so schwer, Frauen in entsprechende Positionen zu bringen?

Schröder: Der Leistungsgedanke, dass sich die oder der Bessere durchsetzt, ist bei uns tief verankert. Trotzdem gibt es für manche Gruppen wie Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund oder mit Behinderung Hürden. Der Prozess, diese Hürden abzubauen, hat zu lange gedauert. Wir haben aber jetzt eine sehr aktive Arbeitsgruppe zu dem Thema, und ich finde es gut, dass auch der Parteivorsitzende dafür Verantwortung übernimmt.

Aber nochmal: Nur 22 Prozent der FDP-Mitglieder sind Frauen. Das ist der schlechteste Wert seit den Achtzigerjahren. 15 von 16 Landesvorsitzenden sind Männer, Katja Suding ist in Hamburg die einzige Ausnahme. Das ist wirklich noch ein langer Weg.

Schröder: Ja, die Zahlen sind eindeutig, da muss auf jeden Fall etwas getan werden.

Müsste es eine Quote geben?

Schröder: Ich halte Quoten nicht für den richtigen Weg. Sowohl Männer als auch Frauen in der FDP empfinden Quoten als Bevormundung – was sie ja auch ein Stück weit sind. Wir brauchen eher eine Mentalitätsveränderung.

Mag sein, aber auf der anderen Seite zeigen ja die Grünen im Bundestag, dass eine Quote durchaus wirkt.

Schröder: Die Grünen haben eine Quote von 50 Prozent plus – und was bekommen sie? Immer 50 Prozent Frauen. Ich möchte, dass Frauen und Männer auf allen Positionen kandidieren, und dass der beste Kandidat oder die beste Kandidatin gewählt wird. Die Quote bei den Grünen zeigt, dass da noch kein Mentalitätswandel stattgefunden hat, denn sonst müssten ja wesentlich mehr Frauen kandidieren. Wir haben bei uns im Juli-Bundesvorstand momentan ohne Quote mehr Frauen als Männer.

Wie würden Sie reagieren, wenn es in zehn Jahren mit dem Anstieg des Frauenanteils in der FDP immer noch nicht vorangekommen ist?

Schröder: Ich bin überzeugt, dass das nicht so sein wird. Wir werden nicht lockerlassen, bis sich was verändert hat.

Das Land Bremen hat Berlin gerade als Schlusslicht abgelöst, was die Qualität der Bildung betrifft. Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern?

Schröder: Wir müssen die Zukunftsthemen stärker in den Mittelpunkt rücken. Bildung gehört an die erste Stelle. So wie wir Kinder heute ausbilden, so wird sich auch der Arbeitsmarkt der Zukunft entwickeln. Bildung ist der Schlüssel – gerade in einer Welt, die sich so schnell verändert wie die heutige. Über die Qualität der Bildung darf nicht entscheiden, wie gut der Landeshaushalt aufgestellt ist – was in Bremen ja schon länger ein Problem ist. Deswegen haben wir den Vorschlag gemacht, das Kooperationsverbot aufzuheben und einen Bildungsrahmen auf Bundesebene zu schaffen.

Stellen Sie es sich nicht zu einfach vor, die Bildungskompetenz von den Ländern zum Bund zu heben?

Schröder: Das Kooperationsverbot aufzuheben kratzt natürlich am Bildungsföderalismus, hebt ihn aber nicht auf. Das ist die nächste Frage, die wir uns stellen müssen: Ist der aktuelle Bildungsföderalismus noch Teil der Lösung oder ist er eher Teil des Problems? Ich kann verstehen, dass die Länder teilweise rebellieren, weil sie ihre Bildungskompetenz nicht verlieren wollen. Nichtsdestotrotz müssen wir uns zusammensetzen und schauen, wie wir es besser machen können.

Fließt genug Geld in die Bildung?

Schröder: Aus meiner Sicht zu wenig. Wir haben einen großen Investitionsstau bei der Schulinfrastruktur, dabei ist es das Mindeste, dass es nicht reinregnet und die Sporthalle in Ordnung ist. Es muss viel mehr darum gehen, wie Bildung heute aussehen muss, um Schülerinnen und Schüler für die Zukunft fit zu machen.

Wie wichtig ist Ihnen Bildungsgerechtigkeit im Hinblick auf das Elternhaus?

Schröder: Das ist ganz entscheidend. Kein Kind kann etwas für seine Eltern – weder diejenigen, die in einem sehr bildungsnahen, noch die, die in einem bildungsferneren Elternhaus aufwachsen. Wenn wir das Versprechen ernst nehmen, dass jeder sein Leben selbst in die Hand nehmen kann, dann müssen wir erstens früher ansetzen und zweitens darf es nicht nur ein Privileg von sehr guten Schulen sein, eine intensive Betreuung und eine individuelle Förderung anzubieten.

In Ihrer eigenen Schullaufbahn haben Sie sowohl eine öffentliche als auch eine private Schule besucht. Haben Sie dort die Unterschiede gespürt, von denen Sie sprechen?

Schröder: Absolut. An der privaten Schule, an der ich war, gab es eine Realschule und ein Gymnasium, sodass Realschüler nach der zehnten Klasse einfacher entscheiden konnten, noch die Oberstufe zu machen. Dabei geht es darum, die Durchlässigkeit, von der immer gesprochen wird, wahr zu machen. Auch legte meine Schule viel Wert auf individuelle Förderung und darauf, die eigene Begabung zu finden. Das war für mich eine sehr positive Erfahrung, und das, finde ich, sollte jedem offenstehen.

Viele ehemalige Juli-Vorsitzende, darunter Guido Westerwelle, Birgit Homburger oder zuletzt Konstantin Kuhle, saßen später im Bundestag. Was wollen Sie erreichen?

Schröder: Mir ist es wichtig, junge Themen in die Politik einzubringen und die FDP anzutreiben. Und auch mal zu kritisieren, wenn wir das als notwendig empfinden. Ich habe letztes Jahr für die Bundestagswahl kandidiert und kann mir durchaus vorstellen, das in drei Jahren wieder zu tun.