JuLis: KUHLE-Gastbeitrag zur Islam-Debatte für „Frankfurter Allgemeine Zeitung“

Anlässlich der anhaltenden Diskussion über die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre, schrieb der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, heute den nachfolgenden Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/horst-seehofers-aussagen-zum-islam-machen-ihn-zum-sicherheitsrisiko-15506806.html):

Eine gute Reaktion auf die ersten Interviews des neuen Bundesinnenministers Horst Seehofer bestünde darin, sich nicht davon provozieren zu lassen. Denn der einzige Grund für seinen Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ liegt in der bayerischen Landtagswahl im Herbst dieses Jahres. Andererseits richtet dieser Satz einen solchen Flurschaden an, dass er nicht unwidersprochen bleiben kann. Hinzu kommt, dass eine solche Aussage durch den für den Dialog mit Religionsgemeinschaften zuständigen Minister in Zeiten gewalttätiger Angriffe auf Moscheen in Deutschland besonders geschmacklos ist.

Die Äußerung von Horst Seehofer ändert an der Rechtslage in Deutschland nichts. Muslime können sich selbstverständlich weiterhin auf die grundgesetzliche Religionsfreiheit berufen. Der Satz reißt jedoch einen Graben in der Integrationsdebatte auf, der in Deutschland längst überwunden war. Die große Mehrheit der muslimischen Bürgerinnen und Bürger sind Menschen, denen an einem friedlichen Miteinander gelegen ist. Junge Muslime werden in Deutschland geboren, wachsen mit der deutschen Sprache als Muttersprache auf und können sich keinen anderen Ort auf der Welt als ihre Heimat vorstellen als Deutschland. Horst Seehofer hat sich gegen diese Menschen aus der Mitte der Gesellschaft und für eine Debatte im Ausnahmezustand entschieden.

Richtig ist: Frauen sind in bestimmten muslimischen Communities nicht gleichberechtigt. Mitunter dürfen muslimische Mädchen nicht am Schwimmunterricht oder an Klassenfahrten teilnehmen. Manche Männer weigern sich, Frauen in öffentlichen Funktionen die Hand zu geben. Antisemitische Demonstrationen und homophobe Gewalt gehen mitunter von Muslimen aus. In all diesen Situationen müssen Vertreter einer Gesellschaft mit der objektiven Werteordnung des Grundgesetztes deutlich und wahrnehmbar Widerspruch erheben. Doch Horst Seehofer wirft mit seinem Satz beide Gruppen – die Mehrheit der integrierten Muslime und die problematischen Fälle – in einen Topf. Die Ansage Seehofers an alle Muslime in Deutschland ist: „Du kannst noch so gut integriert sein und Dich anstrengen. Aber schon aufgrund Deiner Religion wirst Du niemals zu uns gehören.“

Der spalterische Geist dieser Aussage ist fatal. Wie müssen sich etwa muslimische Polizistinnen und Polizisten oder Lehrerinnen und Lehrer fühlen, die tagtäglich öffentliche Aufgaben für den deutschen Staat übernehmen? Für viele junge Muslime in Deutschland ist der Islam nicht der bestimmende Faktor ihres Lebens. Horst Seehofer reduziert diese Menschen auf ihre Religion und schneidet Integrationsbande durch, die mühsam geknüpft wurden.

Das Bundesministerium des Innern ist innerhalb der Bundesregierung auch für die Zusammenarbeit mit den islamischen Verbänden zuständig. Wenn ein neuer Minister ankündigt, diesen Dialog zu intensivieren, dann ist diese Ankündigung nichts wert, wenn das Ergebnis des Dialogs in einer solchen Weise vorweg genommen wird. An vielen Stellen sind die Fachleute weiter als der neue Minister. Islamischer Religionsunterricht, die Schaffung von Lehrstühlen für islamische Theologie und eine deutsche Imam-Ausbildung tragen dazu bei, dass in Deutschland kritisch über den Islam diskutiert werden kann. Horst Seehofer muss sich fragen lassen, ob es ihm lieber ist, die Debatten innerhalb des Islam und über den Islam aus dem Ausland fremdbestimmen zu lassen, als sie hier in Deutschland mit den hier lebenden Muslimen zu führen.

Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit hat immer auch etwas damit zu tun, wie sehr die Individuen und bestimmte Gruppen innerhalb der Gesellschaft aufeinander achten. Die deutsche Integrationspolitik muss an manchen Stellen besser werden. Doch wenn ein neuer Bundesinnenminister sie gleich zu Beginn seiner Amtszeit um Jahrzehnte zurückwirft, dann ist er selbst ein Risiko für Zusammenhalt und Sicherheit in der Gesellschaft.