Erfahrungsbericht: JuLis im Libanon

Wir Jungen Liberalen sind Mitglied der International Federation of Liberal Youth (IFLRY), einer Dachorganisation von liberalen Jugendorganisationen aus der ganzen Welt. Zweimal im Jahr besucht unsere Delegation die General Assembly, also die Versammlung aller Mitglieder. Am Ende des Jahres waren Katharina, Beret, Larissa, Ria, Niklas und Lasse auf Einladung der Future Youth hierfür in Beirut im Libanon. Hier berichtet Euch Ria von ihren Eindrücken.


 

Der Libanon ist ein Land voller Geschichte und Gegensätze. Auf einer Fläche in der Größe von Hessen leben Christen, sunnitische und schiitische Muslime weitgehend friedlich zusammen – und seit einigen Jahren zudem mehrere Millionen syrische Flüchtlinge. Phönizier, Römer, Ottomanen, Kreuzfahrer – viele Völker und Eroberer haben hier ihre Spuren hinterlassen. Das sieht man etwa in der Hafenstadt Byblos und in den Ruinen der Tempelanlagen von Baalbek. Es ist aber auch das Land, das vom Bürgerkrieg von 1975 – 1990 gezeichnet ist, das die bewaffneten Konflikte zwischen dem südlichen Nachbarland Israel und der Hisbollah erlebt hat und als Nachbarland Syriens 2015 Ziel von Terroranschlägen des Islamischen Staates wurde.

Diese Gegensätze haben auch wir JuLis vor Ort gemerkt. Bei milden 20 ° C greifen die libanesischen Weihnachts-Fans auf Kunstschnee zurück – und das nicht zu knapp. Ganz Beirut ist mit leuchtenden Girlanden und blinkenden Nikoläusen geschmückt. Vor der Mohammed-Al-Amin-Moschee steht ein riesiger Weihnachtsbaum. Beirut ist eine pulsierende Metropole, das Paris des Nahen Ostens, Universitäts- und Partystadt. Mehr als ein Drittel der Libanesischen Bevölkerung lebt in der Hauptstadt, es gibt eine lebendige LGBTQI-Szene zwischen dem luxuriösen Downtown und einem Galerienviertel das gerne mit dem New Yorker SoHo verglichen wird. Die Mieten sind hoch, der Verkehr erdrückend und die Energienetze überlastet. Was für eine Stadt!

Das Wochenende beginnt mit dem Kennenlernen der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Austausch und Netzwerken steht hier mehr im Vordergrund, als bei unseren Bundeskongressen, denn der Blick über den Tellerrand ist unheimlich lehrreich: Wie bewertet das jordanische Free Thought Movement die Jerusalem-Entscheidung Trumps? Wie funktioniert das Gesundheitssystem in den Niederlanden? Welche Rückschläge erleben liberale Jugendorganisationen in Russland? Informationen aus erster Hand und Diskussionen mit Menschen, deren Realität unsere Nachrichten sind, wie etwa den JNC aus Katalonien oder Pedro, von Vente Joven aus Venezuela, machen den Kongress so besonders.


„Informationen aus erster hand und diskussionen mit menschen, deren realität unsere nachrichten sind, wie etwa den jnc aus katalonien oder pedro aus venezuela, machen den kongress so besonders.“

Ria berichtet von der IFLRY-General Assembly


Am Freitag haben wir uns unter der Leitung von Vice President Sven Gerst, der für uns JuLis im Vorstand von IFLRY ist, in verschiedenen Vorträgen und Arbeitsgruppen mit Migration und Offenen Grenzen auseinandergesetzt. Debatten über Satzung, Finanzen und Resolutionen, also inhaltliche Anträge, finden bei IFLRY nicht in der großen Runde statt, sondern in den sogenannten Standing Committees. Dort diskutieren dann die verschiedenen Organisationen, die von nur jeweils einer Person vertreten werden. Das führt zu einer sehr effektiven und konstruktiven Arbeitsatmosphäre und jeder kann zu Wort kommen. Hier wurde etwa ein neuer Mitgliedschaftsstatus für assoziierte Mitglieder besprochen. Den Beschluss trifft dann die Assembly. Die Anträge, die bei IFLRY beraten werden, sind natürlich weniger detailliert als die Anträge bei unseren Bundes- oder Landeskongressen. Sie befassen sich häufig mit internationalen Problemen oder Konflikten, zu denen eher eine Haltung als eine konkrete Forderung festgehalten wird. So haben wir Resolutionen etwa zum Thema Meerespolitik, zur Meinungsfreiheit in der Türkei und für eine gemeinsame internationale Drogenpolitik gegen den „War on Drugs“ beschlossen. Hitziger wurde es in der Diskussion um den Nahost-Konflikt und bei einem Dringlichkeitsantrag zur Westsahara. Dabei ging es häufig nicht darum, unbedingt eine Mehrheit für die eigene Meinung zu finden, sondern Kompromisse zu finden, in denen sich alle Liberalen mit ihren unterschiedlichen kulturellen, religiösen und politischen Hintergründen wiederfinden. Kulinarisch werden wir uns aber alle ohne Kompromisse einig: Das libanesische Essen mit Hummus und Tabouleh, Baba Ganoush, Weinblättern und gefüllten Teigtaschen ist einfach großartig.

Nach Ende der General Assembly hat ein Teil unserer Delegation die Gelegenheit genutzt, den Libanon besser kennenzulernen. Die antike Hafenstadt Byblos nördlich von Beirut ist für ihre Kreuzfahrerburg und als Geburtsort des phönizischen Alphabets als Weltkulturerbe weltweit bekannt. Bei Libanesinnen und Libanesen ist sie aber vor allem für ihren Weihnachtsmarkt populär, auf dem Kinder und Jugendliche zu mit orientalischen Beats unterlegten Weihnachtsliedern auf Plastikbahnen Schlittschuhlaufen und Muslime und Christen gleichermaßen Bilder vor der silbernen Krippe knipsen.

Am Montag hatten wir dank unseren Freunden von der Friedrich-Naumann-Stiftung im Libanon die Chance mit der NGO Safe Side Baalbek in der Nähe der syrischen Grenze zu besuchen. Dort haben wir nicht nur gelernt, wie das libanesische Brot mit Za’atar im offenen Ofen gebacken wird, sondern auch die berühmten Tempelanlagen aus dem 2. und 3. Jhd. n. Chr. besichtigt. Im Anschluss daran hatten wir die besondere Gelegenheit uns mit einer syrischen Familie in ihrem Zelt in einem Flüchtlingscamp zu unterhalten. Die Großmutter sagte uns, dass sie hofft, bald in ihre Heimat zurückkehren zu können und ihre 13-jährige Enkeltochter möchte gerne zur Schule gehen statt in der Küche eines Restaurants zu arbeiten. Es fehlt an vielem, aber die Familie hat die Hoffnung nicht verloren.


„Nach ende der general assembly hat ein teil unserer delegation die gelegenheit genutzt, den libanon besser kennenzulernen.“

Ria in ihrem Erfahrungsbericht


Die internationale Arbeit bei IFLRY ist vor allem der Begegnungen wegen so wertvoll. Es liegt an jedem einzelnen von uns, aus dem Gesehenen, Gehörten und Erlebten etwas mitzunehmen für unsere politische Arbeit bei den JuLis und ganz persönlich, offen und neugierig zu sein und aus den Erfahrungen und Geschichten zu lernen.