KUHLE-Gastbeitrag zu Macrons EU-Reformvorschlägen

Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Reformvorschläge des französischen Präsidenten Macron für die Europäische Union schrieb der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, heute den nachfolgenden Gastbeitrag für den Tagesspiegel (https://causa.tagesspiegel.de/europa/macrons-vorschlaege-zur-eu-reform/die-fdp-stellt-sich-einer-reform-der-eu-nicht-entgegen.html):

In der vergangenen Woche hielt der französische Staatspräsident Emmanuel Macron eine visionäre und inspirierende Rede zur Zukunft Europas und der Europäischen Union. Schon die Tatsache, dass es Macron zuvor gelungen war, mit einer klar proeuropäischen Haltung die französische Präsidentschaftswahl zu gewinnen, war Balsam für das geschundene europäische Selbstwertgefühl.

Der Zeitpunkt der Rede war nicht zufällig gewählt: Frankreichs Präsident will mit seinen Vorschlägen Einfluss auf mögliche Koalitionsgespräche in Deutschland nehmen. In der Berichterstattung über Macrons Rede war in den letzten Tagen mitunter zu lesen, seine Vorschläge würden vor allem an der FDP scheitern. Durch ihre Rückkehr in den Deutschen Bundestag und eine mögliche Beteiligung an einer Bundesregierung mit Union und Grünen sei eine Reform Europas gefährdet. Doch wer nun der FDP den Schwarzen Peter zuschieben will, macht es sich zu leicht.

80 Prozent der Vorschläge Macrons zu einer Reform Europas entsprechen den Vorstellungen der FDP. Ob die Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft, eines europäischen Zivilschutzes oder einer europäischen Asylbehörde – gerade in Sicherheits- und Migrationsfragen herrscht große Einigkeit. In Zukunft dürfen neue Zuständigkeiten für die EU nicht erst dann geschaffen werden, wenn eine Krise längst ausgebrochen ist. Die Diskussion über den Mehrwert an Sicherheit, den Europa für die Menschen liefern kann, muss im Vorfeld einer Krise geführt werden. Wenn die Staaten Europas langfristig an offenen Binnengrenzen festhalten wollen, müssen sie auf europäischer Ebene für eine gemeinsame Sicherheits- und Migrationspolitik sorgen.

Dass Emmanuel Macron die Europäische Kommission verkleinern möchte und bis 2024 eine vollständige Marktintegration zwischen Deutschland und Frankreich vorschlägt, sind auch aus Sicht der FDP kluge und mutige Vorschläge. Auf diese Weise könnten die europäischen Akteure den Menschen beweisen, dass es ihnen gelingen kann, Bürokratie effektiv abzubauen.

Auch im Bereich der Bildungspolitik stimmen die Ziele überein. Macron fordert eine Harmonisierung der Abschlüsse, bessere Sprachkenntnisse und die Möglichkeit, dass bis 2024 alle unter 25-Jährigen die Möglichkeit bekommen, ein halbes Jahr im europäischen Ausland zu studieren oder zu arbeiten. Die FDP fordert in ihrem Programm die Einführung einer europäischen Bildungsfreizügigkeit als neue Grundfreiheit. Nicht nur Waren, Arbeitnehmer, Dienstleistungen, Unternehmen und Kapital sollen im Binnenmarkt frei zirkulieren können – im internationalen Wettbewerb wird Europa vor allem dann bestehen, wenn der Austausch von Wissen und Bildung auf dem Kontinent einen höheren Stellenwert bekommt.

Richtig ist, dass die FDP der Einführung eines europäischen Finanzministers skeptisch gegenübersteht und dass sie ein gemeinsames Budget für die Eurozone ablehnt. Die wirtschaftliche Erholung in bestimmten Staaten der Eurozone ist auch darauf zurück zu führen, dass Reformen am Arbeitsmarkt und in den Sozialsystemen endlich angegangen werden – Reformen, wie sie auch Emmanuel Macron in Frankreich vorhat. Die FDP befürchtet, dass mit einem gemeinsamen Budget der Eurozone eben jene Anreize für wirtschaftliche Reformen verschwinden, die zu einer Erholung der betroffenen Volkswirtschaften geführt haben.

Es ist jedoch aberwitzig zu glauben, dass die Kreation eines europäischen Finanzministers mit eigenem Budget alleine an der FDP scheitern würde. Für die Schaffung neuer Kompetenzen der EU ist eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten erforderlich. Will man die Europäischen Verträge ändern, muss der Beschluss sogar einstimmig erfolgen. Wie bewerten eigentlich solche Staaten die Vorschläge des französischen Staatspräsidenten, die eine ähnliche fiskalische Tradition wie Deutschland haben und ebenfalls dem Euro angehören, namentlich Finnland, Österreich und die Niederlande? Wie wirken die Vorschläge auf solche Staaten, etwa in Osteuropa, die erst jüngst durch eigene Reformen den Weg in die Eurozone gefunden haben? Haben wir die Debatten in Deutschland und in diesen Staaten vergessen, als mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus eine dauerhafte Einrichtung geschaffen wurde, um überschuldete Mitgliedsstaaten der Eurozone zu unterstützen?

Als im Jahr 2015 das dritte Hilfspaket für Griechenland im Deutschen Bundestag beschlossen wurde, stimmten in namentlicher Abstimmung gleich 60 Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dagegen. Sogar einzelne Abgeordnete der SPD und der Grünen votierten damals mit Nein. Die FDP hingegen gehörte dem Deutschen Bundestag zu dieser Zeit nicht einmal an. Kann es sein, dass Angela Merkel und die Union nicht bereit sind, in ihrer eigenen Partei eine Debatte darüber zu führen, wie viele Kompetenzen die EU und die Eurozone bekommen sollen?

Es ist gut, dass in deutsch-französischen Arbeitsgruppen bereits an der Umsetzung der Pläne im Detail gearbeitet wird. Am Ende werden dafür jedoch parlamentarische Mehrheiten in den Mitgliedsstaaten benötigt. Die FDP spricht als einzige Partei schon heute jene Zweifel an, auf die man dabei in einigen Monaten stoßen wird. Macron-Fans, die sich an der FDP abarbeiten, sollten bedenken: Je mehr Vorschläge von Macron auch von marktwirtschaftlichen Kräften wie der FDP mitgetragen werden, umso bessere Chancen haben sie auf Umsetzung.