“Überzeugt uns: Idee gut, Umsetzung mau.”

Mit dem neuen Format “Überzeugt uns” wollte die ARD gestern junge Menschen für Politik begeistern – Ob das funktioniert hat, berichtet Euch unser Praktikant Helge, der die Sendung ganz genau unter die Lupe genommen hat.


Die öffentlich-rechtlichen Sender und ihre eingestaubten Serienformate genießen bei uns jungen Leuten nicht unbedingt den besten Ruf. „Rosamunde-Pilcher“ und „Traumschiff“ können einfach nicht mithalten mit „House of Cards“ und „Game of Thrones“. Doch am Sonntagabend versuchte die ARD tatsächlich mal ihrem Bildungs- und Informationsauftrag nachzukommen. Und im Gegensatz zu den meisten altbekannten Talkshow-Formaten, stand bei „Überzeugt uns! Der Politikercheck“ endlich mal die Jugend im Fokus!

Zu gerne werden junge Menschen in der politischen Debatte vernachlässigt. Eine Folge des demografischen Wandels. Die Generation der Babyboomer ist schlichtweg größer als die der Millenials – und bietet damit ein weitaus größeres Wählerpotenzial. Für die politischen Parteien ist es somit attraktiver vor allem die Ü60er zu umwerben, was nicht selten zu Lasten der jüngeren Generation geschieht. Doch am Sonntag lief es ausnahmsweise mal anders: Vertreter aller nach aktuellen Umfragen im nächsten Bundestag vertretenen Parteien diskutierten über jugendpolitische Themen und buhlten regelrecht um die Gunst der Generation Y.


“Zu gerne werden junge menschen in der politischen debatte vernachlässigt. Eine Folge des demografischen wandels.”

Helge in seinem Erfahrungsbericht


Alles auf hip gemacht, mit frechen, provozierenden und stichelnden Fragen, coolen Sprüchen und witzigen Einspielern. So ging’s los. Im Publikum sehr viele junge Leute, aber erstaunlicherweise auch einige wenige Ältere, die sich offenbar auch für die Belange ihrer Kinder und Enkelkinder interessieren. Und dennoch galt es zu Beginn zu klären, weshalb die Parteien den Blick vor allem auf die Eltern und Großeltern richten. Es wurde gar nicht lange um den heißen Brei geredet. Stattdessen wurde unumwunden zugegeben, dass unsere schlichte zahlenmäßige Unterlegenheit ein Hauptgrund hierfür ist. Hinzu komme allerdings, dass die junge Generation dann auch noch nicht zur Wahl gehen würde. Seine Stimme gebe man nun mal nicht über ein Like auf Facebook, sondern über ein Kreuz auf dem Wahlzettel ab. Doch liegt das am politischen Desinteresse der Generation Y? Oder nicht viel eher daran, dass viele von uns sich von den etablierten Parteien und Politikern nicht mehr repräsentiert fühlen? Es erinnert ein wenig an die berühmte Frage nach der Henne und dem Ei: müssen wir erst eine 100%-ige Wahlbeteiligung bei den unter 30-jährigen erreichen, damit wir für die Politik von Interesse sind, oder muss die Politik einfach attraktive Angebote an die Jugend machen, um sie endlich in die Wahlkabine zu locken?


“Müssen wir erst eine 100%-ige wahlbeteiligung bei den unter 30-jährigen erreichen, damit wir für die politik von interesse sind? oder muss die Politik attraktive angebote an die jugend machen, um sie in die Wahlkabine zu locken?”

Helge in seinem Erfahrungsbericht


Denn das Interesse an Politik ist durchaus da. Das zeigten die vielen Meinungen und Fragen, die von den Zuschauern in den sozialen Medien in die Diskussion eingebracht wurden. Viele unterschiedliche Themen wurden angesprochen: Rente und Generationengerechtigkeit, Wohnungssuche und Wohnungsbau, Arbeit 4.0, Vielfalt und Integration, Aufstiegschancen durch Bildung, Drogenpolitik… Doch lag hier genau das Problem. Die Position von sieben unterschiedlichen Parteien zu einer solchen Vielzahl an Themen in 90 Minuten detailliert darzustellen ist nahezu unmöglich. Die Idee war also gut, die Umsetzung eher mau. Vielleicht wäre es besser gewesen die ARD hätte eine Woche lang statt der täglichen Dosis „Rote Rosen“ und „Großstadtrevier“ jeden Abend nur den Vertreter einer einzigen Partei eingeladen, welcher der Jugend hätte Rede und Antwort stehen müssen. Das Format wäre so mit Sicherheit informativer gewesen und die Positionen der einzelnen Parteien wären besser zur Geltung gekommen.


“Die Position von sieben parteien in einer vielzahl an thEmen in 90 minuten darzustellen ist nahezu unmöglich. Die Idee war gut, die umsetzung eher mau.”

Helge in seinem Erfahrungsbericht


Wer dennoch über die lustigen Einspieler des Satire-Kollektivs Bohemian Browser Ballet und die kessen Sprüche und Nachfragen von Moderatorin Ronja von Rönne lachen oder zumindest schmunzeln möchte, dem kann man nur empfehlen sich „Überzeugt uns! Der Politikercheck“ nachträglich in der ARD-Mediathek anzuschauen. Und wie Ronja von Rönne richtigerweise die Sendung beendete: „Am wichtigsten ist es überhaupt wählen zu gehen, denn sonst darf man sich später auf Facebook nicht beschweren und dann wird es ja öde da.“