KUHLE-Gastbeitrag zur doppelten Staatsbürgerschaft für „Weser Kurier“

Vor dem Hintergrund der durch den Deutschen Bundestag beschlossenen neuen Überwachungsregeln schrieb der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, den folgenden Gastbeitrag für den Weser Kurier:

Ende Juni hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen, dass Strafverfolgungsbehörden künftig in bestimmten Fällen so genannte Trojaner verwenden dürfen. Damit soll die Kommunikation über Messenger-Dienste wie etwa Whatsapp überwacht werden. Die Sicherheitsbehörden, so die Argumentation von Union und SPD; sollen auf diese Weise online mit ähnlichen Befugnissen ausgestattet werden, wie sie ihnen auch außerhalb des Internets zur Verfügung stehen – wie etwa bei Telefon – oder akustischer Wohnraumüberwachung.

Die Kommunikation via Messenger-Dienst lässt sich spätestens seit der Einführung weitgehender Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht mehr überwachen. Der Nachrichtenverkehr wird mittlerweile bereits vor dem Absenden verschlüsselt und erst auf dem Gerät des Empfängers wieder decodiert. Die verschlüsselten Nachrichten abzufangen und auszuwerten ist damit quasi unmöglich. Mit den neuen Sicherheitsbefugnissen verschaffen sich die Behörden Zugang zur Quelle der Nachricht, also dem Gerät des Absenders.

Ob diese Lösung in der beschlossenen Form richtig ist, muss bezweifelt werden. Erstens zeigt die Einführung von Verschlüsselungstechniken durch Kommunikationsanbieter, vor allem während und nach dem NSA-Überwachungsskandal, dass viele Menschen ein Bewusstsein für die Privatheit ihrer Kommunikation haben. Der Staat darf dieses Bedürfnis nach geschütztem Nachrichtenaustausch nicht einfach beiseite wischen.

Zweitens hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2008 in seiner Rechtsprechung zur Online-Durchsuchung festgehalten, dass jeder Bürger ein Recht auf die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme hat. Das Problem an der beschlossenen Lösung ist: Nur ein bisschen Einhacken geht nicht. Durch die Installation des Trojaners steht der Weg in die Überwachung immer offen. So setzt sich ein schleichender Vertrauensverlust der Bürger in die Vertraulichkeit ihrer privaten Kommunikation fort. Die Brisanz der Thematik zeigt sich derzeit in Mexiko, wo sich die Berichte häufen, dass die Regierung mutmaßlich mit ähnlichen Befugnissen unschuldige, zumeist regierungskritische Anwälte, Aktivisten und Politiker ausspioniert. Auch dort wurden die Gesetze unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung beschlossen, werden nun aber gegen Personen eingesetzt, die nichts mit Terrorismus zu tun haben.

Drittens ist der Gesetzgebungsprozess, mit dem Union und SPD die neuen Befugnisse einführen, verstörend. Ursprünglich ging es dabei nämlich eigentlich darum, dass Vorschriften geändert werden sollten, um Menschen künftig auch bei Delikten außerhalb des Straßenverkehrs die Fahrerlaubnis entziehen zu können. Was das mit der weitreichenden Überwachung von Messenger-Diensten zu tun hat? Gar nichts. Ihren Angriff auf die Bürgerrechte hat die Große Koalition klammheimlich und auf den letzten Drücker in einer der letzten Ausschussberatungen dieser Legislaturperioden ins Gesetz geschrieben. Ohne öffentliche Debatte und wenige Monate vor der Bundestagswahl. Das ist eine Missachtung der Öffentlichkeit und letztlich auch des Souveräns. Die Große Koalition gehört dafür abgewählt.