KUHLE-Gastbeitrag zur Flüchtlingspolitik für „Handelsblatt Online“

Anlässlich des bereits monatelang anhaltenden Streits innerhalb der Großen Koalition über die Flüchtlingspolitik schrieb der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Konstantin KUHLE, den folgenden Gastbeitrag für „Handelsblatt Online“ (http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gastbeitrag-zur-fluechtlingspolitik-die-bundesregierung-muss-endlich-erklaeren-was-sie-tut/13374542.html):

 

„Die Bundesregierung muss endlich erklären, was sie tut“

Schloss Meseberg liegt ungefähr 60 Kilometer nordwestlich von Berlin-Mitte in einem Ortsteil der Stadt Gransee. Die Lage in dem kleinen Dorf garantiert Ruhe und Abgeschiedenheit. Aus diesem Grund betreibt die Bundesregierung gerade hier im Norden Brandenburgs ein Gästehaus. Zu Beginn einer jeden Amtsperiode führt die Bundesregierung fernab der Hauptstadt eine Klausurtagung durch, um „sich ohne Terminzwänge kennenzulernen und über die Regierungspolitik der kommenden vier Jahre zu sprechen.“ So heißt es auf der Internetseite der Bundesregierung.

Seit einem guten Jahr hält die Flüchtlingskrise in Deutschland Politik und Gesellschaft in Atem. Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erreichte die AfD herausragende Ergebnisse. Die deutsche Demokratie ist stark genug, um mit diesen Ergebnissen fertig zu werden. Trotzdem ist das Erstarken der AfDAusdruck eines Versagens der regierenden Parteien. Denn es ist ihre Pflicht, die Argumente der AfD zu entkräften.

Bei fremdenfeindlichen Parolen oder wirren Verschwörungstheorien darf man sich nicht wegducken, sondern hat als Demokrat den Mund aufzumachen. Stattdessen hat etwa die SPD als Regierungspartei in Rheinland-Pfalz die AfD durch ihre anfängliche Weigerung, mit der neuen Partei an einer Diskussion teilzunehmen, erst in die komfortable Opferrolle katapultiert, aus der es sich so hervorragend populistisch agieren lässt.

Seit Monaten vertreten die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD in der Flüchtlingspolitik konträre Positionen. Die Bundeskanzlerin ist der grünen Opposition näher, als ihrer eigenen Partei. Der Vizekanzler und SPD-Chef verliert sich in AfD-Rhetorik über angeblich zu kurz gekommene Deutsche. Die Krönung aber ist der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, der nach Art eines europäischen Donald Trump mit Wladimir Putin und Victor Orban gegen die eigene Regierungschefin keilt, statt konstruktive Vorschläge zu machen. Dieses Bild ist Wasser auf die Mühlen der AfD und ein Schlag ins Gesicht der Kommunalpolitiker und ehrenamtlichen Helfer, die seit Monaten an einer Lösung der Krise arbeiten.

Wann schließen sich Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel endlich mit dem gesamten Kabinett auf Schloss Meseberg ein, um eine einheitliche Linie der Bundesregierung festzulegen? Als das weltweite Finanzsystem im Jahr 2008 zu kollabieren drohte, entschärften die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister Peer Steinbrück die Lage mit einem einzigen kurzen Presseauftritt, bei dem sie die Sicherheit deutscher Spareinlagen garantierten. Ein gemeinsamer Auftritt der derzeitigen Regierungsspitzen dürfte heute schon an der Terminfindung scheitern.

Auf einer Kabinettsklausur hätte die Regierung einige Unstimmigkeiten zu beseitigen. Soweit es um die Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt geht, muss sich die SPD bewegen und daran mitwirken, die für Flüchtlinge oftmals viel zu hohen Eintrittshürden in die Arbeitswelt zu senken.

Die CDU muss hingegen endlich eingestehen, dass Deutschland gerade wegen der aktuellen Flüchtlingssituation ein Einwanderungsgesetz braucht. Denn nach dem Ende der Krisen und Kriege, durch die derzeit Millionen von Menschen auf der Flucht sind, wird es nur mit Hilfe eines solchen Einwanderungsgesetzes möglich sein, gut ausgebildeten und gut integrierten Flüchtlingen, die in Deutschland bleiben möchten, bei Erfüllung klar definierter Kriterien eine dauerhafte Bleibeperspektive zu geben. Das ist wichtig, denn die Aussicht auf ein Leben in Deutschland ist ein starker Anreiz dafür, sich schon jetzt aktiv um die eigene Integration zu bemühen.

Die CSU wiederum muss ihre regierungsinterne Oppositionsrolle aufgeben und ihrer Verantwortung als Regierungspartei gerecht werden. Sie muss damit aufhören den Menschen den Eindruck zu vermitteln, als sei die Bundesregierung insgesamt macht- und konzeptlos. Denn das spielt all den Populisten und Rechtsaußen unmittelbar in die Karten.

Die Bundesregierung muss neben einer gemeinsamen Haltung zur Flüchtlingsfrage aber vor allem eine gemeinsame Sprache entwickeln. Spätestens seit dem Abschluss des EU-Türkei-Gipfels ist klar, dass sich die Strategie hinsichtlich des Zustroms über die Balkanroute geändert hat. Dass führende CDU-Politiker unmittelbar nach den zurückliegenden Landtagswahlen behaupteten, ein Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik finde nicht statt, führt die Menschen hinters Licht. Der Deal mit der Erdogan-Türkei ist ein Paradigmenwechsel, den die Bundesregierung den Menschen erklären muss. Wenn die Bundesregierung ihre Sprachlosigkeit nicht überwindet, werden es andere tun.